Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Stellung der ehemaligen Reichsunmittelbaren. 259

niht mögli, irgend wie ein ſtreng folgere<tes Princip zur Anwendung bringen zu wollen. Es war Unglü& genug für die deutſ<he Nation, daß ſie fóctan in neununddreißig Staaten getheilt ſein ſollte. Alle früher ſouverain geweſenen Fürſten, Grafen und Städte in den deutſchen Bund eintreten zu laſſen, würde die Zerriſſenheit zu einer unerträglichen Höhe geſteigert haben.

Die Meviatiſirten, von denen viele auf dem Kongreß ſelbſt erſchienen, ſeßten Alles in Bewegung, um ihre frühere Landeshoheit wieder zu erhalten, und als dies unmögli< geworden, wenigſtens dur einige Stimmen in der Bundesverſammlung vertreten zu werden, und ſo den Sein einer gewiſſen Unabhängigkeit zu gewinnen. Es war aber niht wohl zuläſſig, daß ſie zugleich Mitglieder einer Vertretung von ſouverainen Staaten und Unterthanen eines anderen Fürſten ſein konnten. Sie mußten fi zuletzt mit einigen perſönlichen Ehrenrecten für ſi und ihre Familien, der Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häuſern, der Befreiung von der Militairpflichtigkeit, einem privilegirten Gerichtsſtande, der Jurisdiktion auf ihren Beſizungen begnügen, bli: ben aber unter der Oberherr= ſchaft und den Geſeßen des Staates, dem ſie bei der Stiftung des Rhein=bundes zugetheilt worden.

Die zahlreiche ehemalige unmittelbare Reicsritterſchaft ſuchte ebenfalls ihre früheren Privilegien geltend zu machen, ſprach, wie die Me= diatiſirten, von unveräußerlichen Rechten, von angeborenen Unterthanen, erreichte aber nur die Wiederherſtellung einiger privaten Vorrechte ohue ſtaatliche Bedeutung.

Im deutſchen Volke verhallten die Klagen dieſer ehemaligen Reichsunmittelbaren, ohne den geringſten Wiederhall zu finden. Nur ſie ſelbſt und thre beſonderen Anhänger ſetzten ſi dafür in Bewegung. Dieſer hohe deutſche Avel , der ſeit einigen hundert Jahren mehr keine politiſche Nolle geſpielt, der Unterdrü>ung der alten Volksrechte, ſo lange er nicht ſelbſt darunter litt, ruhig zugeſehen, und ſpäter den Abſolutisnius des deutſchen Hof- und Militairweſens nah Kräften begünſtigt hatte, war durchaus unpopulair, und überhaupt, außer in ſeinen nächſten Umgebun= gen, ganz vergeſſen worden. Es konnte fortan in Deutſchland nur Ne= gierungen und Völker, aber niht mehr Zwitterſouverainetäten geben.

Die Beſtimmungen über das Kriegsweſen des Bundes, namentlich die Anlegung bewaffneter Vertheidigungslinien, die Freiheit der Stromſchifffahrt, über das Poſtweſen, ſo weit es in mehren Ländern dem Hauſe Thurn und Taxis gehörte, den Nachdru>, die konfeſſionellen Verhältniſſe ſollten den Bau des neuen Deutſchland vollenden. °

17%