Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

262 Neueſte Geſchichte. 2. Zeitraum.

ſeinem Schi&ſal ſcheinbar ausgeſöhut, traf er auf der leinen Inſel Anſtalten wie zu einer dauernden Niederlaſſung, ordnete Bauten und Anpflanzungent an, und that, als wolle er in Porto-Ferrajo dieſelbe Nolle, wie einſt Diokletian in Salona, ſpielen. Aber die ihm näher ſtanden, begriffen, daß dieſe Entſagung nur eine Maske war, die er vornahm, um den Arg=wohn ſeiner Feinde von ſi abzulenken. Ex hatte zu- hoh dageſtanden, er fühlte zu viele Kraft in ſi und war noch nicht alt genug, um nicht an die Wiedererlangung des Verlorenen zu denken. Die Großmuth oder Unvorſichtigkeit der Sieger hatte ihm in dex Ueberlaſſung einer, wenn auch kleinen, aber unabhängigen Herrſchaft, in der Nähe der franzöſiſchen Küſte, die Mittel zur Ausführung weiterer Entwürfe verliehen. Sein

Charakter hätte hinlänglich bekannt ſein können. Gleichwohl hatten ihn

ſeine Geguer nah ſic ſelbſt beurtheilt, und gemeint, daß er ſich von fol= chem Falle nie mehr aufri<ten werde. Aber Napoleon war eine von den Naturen, die die ihnen angeborene Nichtung nicht aufgeben können. Der Drang zu Thaten wirkte in ihm mit der Kraft eines unwiderſteh= lichen Inſtinkts. Nur unüberſteiglihe Hinderniſſe, wie Krankheit oder Gefangenſchaft, hätten ſeinen Geiſt lähmen, obwohl au) ſelbſt ann nicht brechen fönnen. Als er nah einigen Wochen zurü>gezogenen Lebens eine der Höhen von Elba erſtieg, und die Gränzen der Inſel überſchaute, rief er: „Mein Reich iſt doch ſehr klein!“ — Seine Begleiter ahnten, was in ihm vorging. Von dieſem Augenbli> an verließ ihn niht mehr der Gedanke der Nückkehr nah Frankreich.

Die Hauptſache für ihn war, daß er an Elba einen feſten Punkt be= ſaß, auf dem er die Maſchinen ſeines Ehrgeizes ungeſtört aufpflanzen fonnte. Als Gaſt oder Schützling in einem fremden Staate lebend, hâtte ſelbſt ſein eiſerner Wille ſich vor der Unmöglichkeit beugen müſſen. Außer= dem ſtand ihm eine kleine, aber erleſene Heerſchaax, deren begeiſterte An= hänglichkeit an ihn ſein Unglü> noh vermehrt hatte, es ſtanden ihm die Mittel zur Ueberfahrt na< Frankreich zu Gebote. Zugleich war die innere Lage dieſes Landes eine ſolche, daß er hoffen konnte, daſſelbe zu überraſchen, mit ſi< fortzureißen, es von Neuem zu einem Hebel für ſeine Größe zu brauchen. Die außerordentlichen Schwierigkeiten , die gleihwohl immer einem Gelingen feiner Pläne entgegenſtanden , ver= ſ<wanden vor ſeinen Augen bei dec Erinnerung an das unerhörte Glü&, das ihn ſo lange begleitet, bei der Vergegenwärtigung der fouſt nie ge= ſehenen Laufbahn, die er zurückgelegt hatte. So wie Ludwig XVTI. der Veberzeugung war, daß die acthundertjährige Herrſchaft ſeines Hauſes über Frankreich nicht durc eine fünfundzwanzigjährige Untexbrechung er-