Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Napoleon in Elba. 263

loſchen ſei, eben ſo glaubte Napolecn, daß der Siegesſtern, der von Montenotte an bis zur Moskowa ununterbrochen über ihm geleutet, bur die Unfälle der Zahre 1813 und 1814 nicht für immer verdunkelt worden. Lange gewohnt, allen Gefahren zu troben, alle Hinderniſſe zu überwinden, warf er ſih in das größte Wageſtü>, welches die Geſchichte kennt, und beſhloß, mit einer Handvoll Krieger Frankreich wiederzuge= winnen und Europa herauszufordern.

Napoleon , obwohl im Einzelnen, wie es ſeine Erziehung und ſein Beu mit ſih brachten, von mathematiſchen Anſchauungen erfüllt, wurde, im Ganzen und Großen, wie alle außerordentlichen Menſchen, und viel= leiht in no< höherem Grade als einſt Alexander und Cäſar, von der Phantaſie beſtimmt. Wäre er dies weniger geweſen, ſo würde er aller= dings nie ſo tief gefallen, aber auh nie ſo hoch geſtiegen ſein. Die Unternehmung, die Napoleon von Elba über Paris und Waterloo nah St. Helena führte, und die, namentlich bei der Kenntniß des Ausganges, der Nachwelt ſo abentheuerli erſcheint, konnte dieſen Charakter nict in den Augen eines Mannes haben, dex 1799 das von engliſchen Flotten bede>te Mittelmeer glü>li< dur<ſcift, in Frejus ohne Soldaten und Geld an das Land geſtiegen, wenige Wochen ſpäter Herr über Frankreich geworden, und der, nachdem er eine halbe Million Krieger in Rußland verloren, einige Monate nachher wieder ſiegreich in das Herz von Deutſchland vordrang. In Napoleon's Leben war Vieles ſo außer=ordentlich und an das Wunderbare ſtreifend geweſen, daß in ſeinen Augen zuweilen die Gränzen des Möglichen und Unmöglichen in einander fließen mochten.

Aber abgeſehen von den Eingebungen der Herrſchſucht und den Er= innerungen an ein ſo lange von Sieg und Ruhm gekröntes Daſein , lag au in der Stimmung des Volkes in Frankreich und in den Zuſtänden Europa's eine Verſuchung für Napoleon, das Glück von Neuem auf die Probe zu ſtellen.

Es war Ludwig XVIIL., ungeachtet der Hoffnung und Begeiſterung, die ihm bei ſeiner Rückkehr entgegengekommen, ungeachtet der Verleihung einer freien Verfaſſung, nicht gelungen, die Kluft, die ſein Haus, und das Princip , das es vertrat, von der ſeit beinahe einem Menſchenalter in einer entgegengeſeßten Richtung begriffenen Nation trennte, alsbald auszufüllen. Der Unterſchied zwiſchen den Ueberlieferungen, Geſinnun= gen und Sitten des bourbon ſchen und revolutionairen Frankreich war zu groß. Es ſtanden ſich da zwei Welten gegenüber, deren gegenſeitige Duldung und Annäherung nur die Zeit herbeiführen konnte. Dies