Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Slat von Ligny. 311

Die Dörfer St. Amand und Ligny waren von ihm ſtark beſet, und, ſo viel es in der Eile ging , befeſtigt worden. Als Napoleon Blücher's An= kunft in Sombref erfuhr, beſtieg er eine Windmühle, und betrachtete von dort aus, eine Zeit lang ganz allein , die große, von preußiſchen Bajo= netten ſtarrende Ebene. Von dieſer Warte aus leitete er die Schlacht. Vandamme erhielt Befehl, St. Amand zu nehmen. Die Franzoſen drangen raſ< vor und warfen die Preußen zurü>. Aber Blücher verſtärkte ſeine Truppen auf dieſem Punkt, und nahm dem Feinde einen Theil der errungenen Vortheile wieder ab, ohne ihn jedo<h ganz vertreiben zu können. Napoleon, ungeduldig geworden, ließ den General Gerard fommen , und befahl ihm, um jeden Preis Ligny zu nehmen , von deſſen Beſiß der Ausgang des Tages abhing. In Ligny erhob ſich ein wüthen= der Kampf. Viermal wurde dieſes Dorf von den Franzoſen erſtürmt, und viermal von den Preußen wiedergenommen. Während ſi< in den engen Straßen, zwiſchen den He>en und Bäumen und ſelbſt in den Häuſern ein mörderiſches Gefecht erhob, dounerten von beiden Seiten vierhundert Feuerſchlünde, und der Ort war bald nichts als eine Brandſtätte, auf deren rauchenden Ueberreſten mit äußerſter Anſtrengung gefochten wurde. Um acht Uhr Abends waren die Franzoſen überall Sieger. Blücher hatte an 20,000 Todte und Verwundete, aber keine Gefangenen verloren, und eg ſich in der Dunkelheit auf Gembloux zurü>, wo ex das Korps unter dem General von Bülow traf, das von Lüttich herbeigezogen war, und ſeinen Rü>zug de>te. Der preußiſche Feldherr, der, ungeachtet ſeines hohen Alters, mehre Angriffe perſönlich geleitet , wax in Gefahr geweſen, der franzöſiſchen Reiterei in die Hände zu fallen, und nur dur die Geiſtesgegenwart ſeines Adjutanten, des Grafen Noſtiz, gerettet worden. Napoleon hatte, ungeachtet der numeriſchen Schwäche ſeiner Streitz kräfte, und ungeachtet der übrigen Schwierigkeiten ſeiner Lage, in der Schlacht von Ligny ſeinen großen Bli>, und ſein Heer den Nuf des unerſhro>denſten Muthes bewährt. Aber darauf ſollten ſi< au< die Früchte dieſes Tages beſchränken. Die von dem Marſchall Ney auf einem anderen Punkte des Kampfplatzes bewieſene Zögerung und Unentſchloſſenheit ver= hinderten , daß der Sieg bei Ligny von entſceidenden Folgen wurde. An= ſtatt, wie ihm der Kaiſer am 15. Juni ausdrücli<h befohlen hatte, die Anhöhe von Quatrebras zu beſetzen, welche die ganze Gegend beherrſcht, auf welcher vier Straßen zuſammenſtoßen, und deren Behauptung eine Vereinigung des preußiſchen und engliſchen Heeres verhindert haben würde, vollführte Ney dies nicht nux nicht, indem er glaubte, daß es am andern Tage noh Zeit dazu ſein würde, ſondern ließ dem Kaiſer ſogar melden, daß