Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Soult's und Ney's Fehlgriffe. 317

über bei Wavres gelegen und von Grouhy's Truppen nihts geſehen. Napoleon begriff niht, was dieſen Marſchall abgehalten haben fonnte, die ihm gewordenen Befehle auszuführen , und ein preußiſches Korps auf ſeiner reten Flanke erſcheinen zu laſſen. Ex ſchi>te ihm ſogleih eine neue Ordre, worin es hieß: „Verlieren Sie keinen Augenbli>, um zu mix zu ſtoßen, und Bülow zu vernichten.“

Der Marſchall Soult, der an dieſem Tage nict von Napoleon's Seite wi, und vurh deſſen Hand alle Befehle gingen, hatte, ungeachtet ſeiner ſonſtigen großen Erfahrung im Kriege, die unerklärbare Nachläſſigkeit begangen, daß er die Ordres an Grouhy, von deren Vollziehung Napoleon's und ſeiner Armee Schi>ſal abhing , nit, bis er beſtimmte Kunde von deren Empfang erhalten, wenigſtens von Stunde zu Stunde wiederholte, ſondern ſi mit einer einmaligen Abſendung derſelben bez gnügte. Grouchy ſtand aber vier bis fünf Standen von Napoleon's Haupt=z quartier entfernt, und die Ankunft eines einzeln abgeſandten Officiers war ungewiß. So kam es, daß Grouchy die zweite an ihn erlaſſene Ordre, die ihm ſchleunigſt auf Waterloo zu ziehen aufforderte, erſt nah neun Stunden, als es zu ſpät war, erhielt. Napoleon äußerte in St Helena , von dieſer Schlacht ſprechend , daß der frühere Chef ſeines Generalſtabes , Alexander Berthier, in ſolchem Falle mehr Vorſicht bewieſen haben würde. Ohnedies ſhon ſ{<wächer als der ihm gegenüberſtehende Feind, ſchickte der Kaiſer, als er das Anrü>en Bülow's exfuhr, 10,000 Maun unter Lobau zur Beſetzung der Engpäſſe von St. Lambert ab, um die Preußen dort aufzuhalten. Dieſes Korps unter Lobau fehlte demnach auf dem Punkte, wo vie Schlacht eigentli entſchieden werden ſollte.

Ney hatte unterdeſſen mit abwechſelndem Glüd den Mont St. Jean und das Centrum der Engländer, wo Wellington ſelbſt fi befand, bez ſtürmt, Seine erſten Angriſſe waren unwiderſtehlich geweſen, und eine Zeit lang ſchien Napoleon's Plan, die engliſchen Linien zu durchbrechen, vollſtändig gelingen zu ſollen. Aber Ney griff hier wie bei Quatrebras, niht mit ſeiner ganzen Macht und auf einmal an, ſondern führte ſeine Divi= ſionen einzeln in das Gefecht. Der franzöſiſchen Kavallerie , die mit dem größten Ungeſtüm focht, fehlte es an dieſem Tage an einem großen Führer, wie Murat, der in ihre Angriffe Einheit gebracht, und ſie an der reten Stelle und in Maſſe plötlich auf den Feind geworfen haben würde. Wellington's Truppen, von dem zahlreichen tapferen engliſchen Generalſtabe überall perſönlich ermuthigt, entwi>elten eine außerordentliche Standhaftigkeit in der Vertheidigung ihrer Stellungen. Das Feuer der Engländer war, von dem Terrain begünſtigt, wirkſamer als das der Franzoſen. Napoleon