Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Wellington's Rath an Ludwig XVII. 343

maß, und daß in den diplomatiſchen Kreiſen der Verbündeten die Mei= nung von einer Unvereinbarkeit der Bourbonen mit Frankreich mehr wie einmal vernommen worden. Die Thatſache ließ ſi< verſchiedenartig deuten, aber niht wegläugnen, daß Napoleon mit einer Handvoll Solz daten von Cannes bis Paris vorgedrungen war , und ſi ihm Alles unterworfen hatte. Allerdings hatte die Nation nict die geringſte Bez geiſterung für den Kaiſer gezeigt und Alles dem Kriegsvolk über= laſſen, aber es war in ihr auh keine Theilnahme für die Bourbonen ſichtbar geworden.

Man hatte am 18, Juni den Kanonendonner von Waterloo vor den Thoren von Gent gehört, und Ludwig XVIII. war ſchon nahe daran geweſen, dieſe Stadt zu verlaſſen. Ein Schreiben Wellington's an den Herzog von Berry, am anderen Tage eingelaufen, richtete den König und ſeine Anhänger wieder auf, obglei< im erſten Augenbli>e der er=rungene Sieg nicht in ſeiner ganzen Größe bekannt wurde. Wellington hatte ſhon auf dem Wiener Kongreß, und ſeitdem no< mehr , ſih der Reſtauration günſtig gezeigt. Sein klarer Bli in die Lage der Dinge überzeugte ihn, daß Frankreih nur unter dem Hauſe Bourbon und mr einer die Nechte des Volkes ſichernden Verfaſſung im Innern beruhigt

- und mit Europa ausgeſbhnt werden könne. Wellington's Ruf war ſchon

vor der letzten Schlacht groß geweſen, ſeitdem aber ſehr geſtiegen. Der Dank derbrittiſchen Nation gegen den ſiegreichen Feldherrn ſicherte dieſem jebt ſowohl im Parlament, als auc in dem Nathe der fremden Mächte einen bedeutenden politiſchen Einfluß, was in dieſem Maße früher nicht der Fall geweſen,

Wellington rieth Ludwig XVIIT., Gent alsbald zu verlaſſen , und dem preußiſchen und engliſchen Heere unmittelbar nah Frankreih zu folgen, einmal, um dem franzöſiſchen Volke Gelegenheit zu geben , ſi für die Bourbonen auszuſprechen, die feindlichen Parteien in Paris dur eine raſche Annäherung einzuſchüchtern, und auh, um den verbündeten Mächten keine Zeit zu anderweitigen Entſchließungen über das Schi>ſal Frankreichs und ſeines Königs zu laſſen. Talleyrand, der unterdeſſen in Gent angekommen, war dagegen der Meinung geweſen, Ludwig XVIII. ſolle fo lange daſelbſt bleiben , bis alle Hinderniſſe ſeiner Wiedereinſeßung beſeitigt wären. Der König zog den Rath des engliſchen Feldherrn dem ſeines Miniſters vor, und verdankte es vielleicht dieſem Umſtande, daß die Unterhandlungen ſeiner Feinde zu Gunſten des Sohnes Napoleon's oder anderer Thronkandidaten, und die Bedenklichkeiten mancher Staats=