Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Fouché zum Polizeiminiſter ernannt. 347

Gunſten zu wirken gewußt. Ihm ward die raſche Beſeitigung Napoleon's und jegt die Auflöſung der Kammern zugeſchrieben und zum Verdienſt angerehnet. Wellington und ſelbſt Talleyrand glaubten, daß Fouché allein im Stande wäre, die Schwierigkeiten des Augenbli>es zu über= winden, und theilten dem Könige dieſelbe Ueberzeugung mit. Dieſer entſchloß ſi< zu dem niht geringen Opfer, Fouché in dem Schloſſe Arnouville bei St. Denis zu empfangen, und ihm das Polizeimini= ſterium zu übergeben. Der Mann, der ſeine Laufbahn als Mönch angefangen und dann Jakobiner und Terroriſt geweſen, hatte es verſtan= den, ſelbſt dem ſonſt ſo katholiſch und royaliſtiſh geſinnten Grafen von Artois Vertrauen einzuflößen. Die eifrigſten Ultras ſprachen damals von Fouché wie von einer unentbehrlichen Stütze der Monarchie. Nur ein ehemaliger Revolutionair , hieß es, kenne die Revolution hinlänglich und ſei ſie zu bändigen geeignet. Die Herzogin von Angouleme war in jenem Moment vielleicht die einzige Perſon am franzöſiſchen Hofe, die es niht überſah, daß Fouché im Konvent für den Tod Ludwig XFVT. ges ſtimmt hatte. Ihre Vorſtellungen gegen ſeine Ernennung zum Miniſter, die ſie für eine Beleidigung des Andenkens ihres Vaters und einen Fle>en für die königliche Familie hielt, erſhütterten Ludwig XVIIT. nicht, Fouché, der ihm zur anderen Natur gewordenen Doppelzüngigkeit bis in das lebte Stadium ſeiner politiſhen Wirkſamkeit treu, war, als er in Arnouville eine Stelle im Rathe Ludwig XVII. annahm, noh Präſiz dent der proviſoriſchen Regierung in Paris, die dem Namen nah Napo[eon II. anexfannte. Er gab dieſe Stellung erſt am anderen Tage auf.

Am 8. Juli hielt Luvwig XVII. ſeinen Einzug in Paris. Man hatte, eine Handlung der Verzweiflung von Seiten irgend eines anti= bourbon’ ſchen Fanatikers befürchtend, dem Könige an die Hand gegeben, ſeine Rückehr nah der Hauptſtadt des Abends und ohne vorangegangene Ankündigung zu bewerkſtelligen. Ludwig XVIIT., der, ungeachtet ſei=z ner förperlichen Leiden, einen furhtloſen Sinn beſaß und nie für ſeine Perſon beſorgt war, verwarf dieſen Rath, deſſen Befolgung ihm als eine Kleinmüthigkeit erſchien, und zog am hellen Tage, unter dem Donner ver Kanonen und von einer unermeßlihen Volksmenge erwartet , ein. Die Nationalgarde bildete von St. Denis an ein Spalier. Die höheren und mittleren Klaſſen der hauptſtädtiſchen Bevölkerung, dur den Abzug der Armee in den Aeußerungen ihrer Gefühle frei geworden, empfin= gen den ihnen wiedergegebenen König wie einen Retter mit uner= meßlichem Jubel. Die Freude über ſeine Rü>kfehr war ſo groß, daß Männer und Frauen aus den gebildeten und ſelbſt vornehmen Klaſſen