Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

also hier eine Gefühlseinstellung, die den Sinn von der unmittelbaren Wirklichkeit um einiges ablenkt.

Noch stärker ist diese Ablenkung auf dem Bilde des Komponisten Carl Löwe (VI, 8). Der Kontakt mit der Außenwelt ist, trotz der dem Beschauer zugewendeten Haltung, noch mehr gelockert, dafür wird die Zuwendung zu einer inneren Welt der Phantasie ersichtlich: diese Augen schauen nach innen.

Was ein scharfer Einzelkontakt ist, lehrt mit drastischer Anschaulichkeit der Blick Wilhelm Buschs (XIV, ?), den durchdringenden Beobachter, den realistischen Zeichner, den angriffslustigen Kritiker verratend. Die Lidspalte ist hier vie] enger, die Augenlider sind streng herabgezogen und blenden alle nicht zu dem fixierten Gegenstand gehörigen Randstrahlen ab wie die Irisblende einer Kamera.

Liegt in der Schärfe des Blickes Buschs ein gewisses Angriffsmoment, so kann ein andermal die eng zugekniffene Augenspalte umgekehrt Abwehr unangenehmer Eindrücke bedeuten wie bei Tom (XIV, 6). Hier kommt hinzu, daß das ganze Augengelände krampfhaft verzogen ist. Die heruntergezogenen Augenbrauen, zwischen denen schräggestellte Runzeln erscheinen, unterstützen die Abblendung der Augenspalte, die Stirn zeigt Querfalten. Hier sucht sich der Blick von einem peinlich gewordenen Kontakt loszulösen.

Fast völlig gelöst ist hingegen der Kontakt bei dem verhängten Blick der Jungfrau von Bernardino Luini (IV, 6), deren Augenlider in spannungslosem Bogen wie ein Vorhang herabgelassen sind: wir deuten wohl noch auf Phantasie, aber sie wird nicht mehr von außen angeregt wie bei den immerhin ziemlich weit geöffneten Augen des Balladenkomponisten Löwe, der anschauliche Landschaften vor uns erstehen läßt, sondern durchaus von innen: es ist Träumerei.

Die Bewegtheit des Blickes zeigt die größte Mannigfaltigkeit. Der Blick der Physiognomie (IV, 8, Frau Montessori)

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