Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

Muskeln des Kinnes

Wie die Stirn eine Erweiterung des Augengeländes, so bildet neben Nase und Wange noch das Kinn eine Erweiterung des Mundgeländes. Ein gewisses Gegenstück zum Augenbrauenrunzler bildet am Kinn der Kinnmuskel (M. mentalis). Er unterscheidet sich nämlich vom Dreiecks- und Quadratmuskel dadurch, daß er nicht zum System der Lippenöffner, sondern der Lippenschließer gehört wie der Lippenmuskel selbst. Sein Ursprung liegt jederseits nahe der Mitte der Unterlippe; er greift unten an der Haut des Kinnes an und zieht sie herauf, wodurch wulstige Grübchen im Kinn entstehen und gleichzeitig die Unterlippe mit hinaufgeschoben wird. So hat dieser Muskel teil am bitteren Zug des Mundes, an der Verachtungs- und der Ekelstellung der Unterlippe, und zwar insbesondere beim Frbrechen.

Kaumuskeln

Von äußerlich gelegenen Muskeln gehören hieher der eigentliche Kaumuskel (M. masseter), der am Jochbein entspringt und, am unteren Ast des Unterkiefers ansetzend, diesen mächtig gegen den Oberkiefer bewegt; weiter der Schläfenmuskel (M. temporalis), der am Rande der Schläfengrube entspringt und den oberen Fortsatz des aufsteigenden Astes des Unterkiefers steuert. Als Skelettmuskeln gehören sie eigentlich nicht zur mimischen Muskulatur im engeren Sinne; sie bewegen keine Weichteile des Gesichtes. Dennoch sind sie nicht ausdruckslos, sondern beeinflussen das Relief der Physiognomie in hohem Maße. Sie erzeugen tätige Bewegung und können ganz ebenso in symbolischem Sinne gebraucht werden wie die Muskeln, die die Mundwinkel, die Lippen usw. bewegen. Man frage sich nur, ob es nicht

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