Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

ausdrucksvoll ist, wenn jemand die Zähne zusammenbeißt oder vor Wut knirscht.

II. Die Steuerung des Ausdrucks

Die Frage nach der Entstehung der Ausdrucksmuskulatur hat ihre besondere Berechtigung. Woher alle diese Muskeln? Noch Bell, der doch sehr wohl wußte, daß auch die Tiere ein ausdrucksvolles, physiognomisches Spiel bald dieses, bald jenes Körperteiles kennen, und auch wußte, wie sehr der Ausdruck mit der Beweglichkeit jeder Körperpartie wächst, wollte dem Ausdrucksspiel des menschlichen Gesichtes eine Sonderstellung einräumen und meinte, eine Reihe dieser Muskeln sei zu keinem anderen Zweck erschaffen, als um Gemütsbewegungen auszudrücken. Seit Darwin und Piderit aber wissen wir, daß alle Symbolik des Ausdrucks sich durchaus über einer Schicht von materiellen Zweckfunktionen aufbaut, deren Mechanismus auf seelische Funktionen übertragen wird. Heute dürfen wir sagen, daß alle mimischen Muskeln ursprünglich der Einstellung der Sinnesöffnungen gedient haben, der Augen, der Nase, des Mundes, und zwar in den uns schon bekannten drei Bezugswendungen. Jeder Sinn kann sich einem sympathischen Reiz voll zuwenden, er kann sich auf zu bewältigende Reize zu Prüfung, Angriff oder Abwehr einstellen, er kann vor überstarken feindlichen Reizen die Flucht ergreifen.

Schon dadurch kommt eine große Mannigfaltigkeit in die Ausdruckseinstellungen. Sie wird noch bei weitem vermehrt dadurch, daß manche Sinnespartien, besonders Nase und Mund, mehreren verschiedenen Funktionen dienen können, deren jede eine besondere Einstellung durch besondere Muskeln oder durch besondere Kombinationen derselben erheischt. So z. B. stehen im Dienst

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