Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15., S. 439
SS _Jlluſtrierte Geſichte des Weltkrieges 1914/15. ZH
und daran fnüpfte Reuter, flug die günſtigen Umſtände benußend, an. Da Belgien no< keinen Telegraphen hatte und Nachrichten aus dem Weſten nur durch die Eiſenbahn nah Aachen gebra<ht wurden, von wo ſie telegraphiſh weitergegeben wurden, richtete er in Holland, Belgien und Nordfrankreich Brieſtaubenpoſten ein, wie das auh Havas getan, durch die alle Nachrichten ſ<neller als mit der Eiſenbahn über Brüſſel nah Aachen kamen, von wo ſie dann Reuter telegraphiſ<h na<h dem Oſten weitergab. Wenn ex au< nux um Stunden ſchneller unterrihtet war, ſo gewannen er und mit ihm ſeine Abonnenten do oft für ihre Dispoſitionen in politiſher und kommerzieller Hinſicht einen wihtigen Zeitraum und übexrflügelten ſo alle Konkurrenten. = SS : Im ſelben Jahr, als das erſte Überſeekabel CalaisDover gelegt wurde, 1851, ſiedelte Reuter nah London über. Hier in dieſer großen Zentrale des Geldmars und des Handelsvertehrs wurde er erſt das, was ihm als eigentlihes Ziel vorſ<hwebte: R.T.C. (Reuters Telegram Company), Reuter \<le<thin. Allerdings dauerte es no< eine Reihe von Jahren, ehe ex ſo weit kam, und
_er hatte Widerſtände und Hinderniſſe mannigfachſter Art
zu überwinden. - Erſt volle aht Jahre nah ſeiner Über-
_ſiedlung nah London hatte ex die Genugtuung, eine ſeiner
Meldungen im erſten Blatt der Hauptſtadt zu finden. Da hatte ex allerdings au< einen Rekord erreiht: denn was Napoleon III. mittags ein Uhr in den LTuillerien geſprochen hatte, fonnten eine Stunde ſpäter die Times bereits ihren Leſern mitteilen. Damit war der Bann gebrochen und Reuter wurde nun R.T.C. MWie er einſtmals ſeine Brieftaubenpoſt eingerihtet hatte, ſo hatte er in der Folge, ehe es no< Kabel na< Amerifa gab, SegeljaHten, die die atlantiſhen Dampfer unterwegs ab= fingen und ihre Nachrichten eiligſt ans Land brachten, von wo ſie dann telegraphiſ<h nah London gingen, und ſo gewann er wie damals wihtige Vorſprünge, wenn au< nur von Stunden. Als er abtrat, wurde ſein Sohn Herbert ſein Nachfolger, der 1915 dur Selbſtmord endete. R.T.C. iſt ebenſo wie Havas ſhon lange eine Aktiengeſellſ<haft mit einem Kapital von zwanzig Millionen Mark. Reúter und Havas haben, wie bereits erwähnt, uns lange vor dem Krieg, nur niht ſo offenkundig, ihre Feindſchaft begeigt, und es wird na<h dem Krieg eine ſehr wihtige Auſgabe ſein, unſeren Nachrichtendienſt im Auskland, um ihnen wenigſtens einigermaßen das Gleihgewiht zu halten, neu zu geſtalten, :
Die Defenſive gegen Rußland ergab ſih ſomit von ſelbſt. — Kurz bevor dieſer Übergang von unſerer verfolgenden Offenſive zum verteidigenden Stellungskrieg ſi vollzog, ſpielte ſi<h im Raume zwiſchen Dünaburg und Grodno die Schlacht bei Wilna ab. Nach dem Fall von Kowno hatten ſtarke ruſſiſche Kräfte, in der Richtung auf die Bahn WarſchauDünaburg zurü>gehend, ſih im Raume von Wilna feſtgeſeßt. Die einerſeits zwiſhen Kowno—Wilkemir und nordöſtlih davon, anderſeits zwiſchen der Linie obere Meredſ<hankaWilna—Swenzjany liegende, etwa 80 Kilometer breite Landſtre>e gaben die Ruſſen nur mit größtem Widerſtreben nah und nah auf. Es war Sache der Armee Eichhorn, ſie Schritt für Schritt zurüGzudrängen. Die ruſſiſchen Hauptkräſte wurden unterdeſſen, dur<h ſtarke Nahhuten gede>t, auf Minsk weiter zurückgeführt. Es entwitelten ſich dann nordweſtlih der genannten Bahnlinie lang andauernde, hartnädige Kämpfe, in denen die Ruſſen auh
zu exfennen gaben, daß die von Japan und Amerika emp=-
fangene Munition den Truppen zugeführt war.
Es iſt no< zweifelhaft, ob den Ruſſen ihr Entſchluß, den Raum von Wilna auf das Hartnätigſte zu verteidigen, gum Heile gereihte. Vielleiht wäre es klüger geweſen, die Nahhuten weniger ſtark zu machen und die Hauptfräfte einheitliher einzuſeßen. Die über mehrere Tage ſi<h hinziehenden Schlahten gaben uns, ehe es zum eigentlihen Entſcheidungskampf bei Wilna fam, die Gelegenheit, ein Umfäſſungsmanöver auszuführen, wie es in dieſem Kriege leider nux ſelten zu ermöglihen war. Dex breite Raum zwiſhen Kowno und Dünaburg (ſiehe auh die Vogelſhaufarte Seite 199) weiſt ein vielfa<h dur<ſchnittenes Gelände auf. Eine große Anzahl von Seen breitet ſih auf ſanft gewelltem Landrüden aus und ſchafft manche Geländeenge, die leiht verteidigt werden fann und hinter der ſi< Truppenbewegungen vollziehen laſſen, die der Gegner nur ſ<hwer zu ermitteln vermag, wenn er niht über einen guten Fliegerdienſt verfügt. Letterer war bei den Ruſſen nur in ſehr geringem Grade entwidelt, wie uns die Karpathengefehte und die Rückzugsſ<la<hten in Galizien und Polen gezeiat haben. Wir nußten das Gelände und die hartnä>ige Abſicht der ruſſiſhen Führung, bei Wilna in Nachhutkämpfen uns aufguhalten, dahin aus, dur unſere Kavallerie die Umfaſſungs-
bewegung zu verſchleiern, die uns den Sieg in der eigent-
lihen Sauptſ<hla<ht vor Wilna vorbereiten ſollte. Der Ort Wilna ſelbſt war als Hauptknotenpunkt der Eiſenbahnen, als wichtiger Plaß für den Na<hſ<hub und als
Der Kampf um Wilna. e
Von Major a. D. Ernſt Moraht. (Hierzu das Bild Seite 374.)
Dex ſchier endloſe Rückzug der Ruſſen - wurde nah der Übernahme des Oberbefehls dur< den Zaren an einigen Stellen unterbrochen. Es ſchien der ernſte Verſuch gemacht zu werden, zunächſt unſere ſeit Monaten anDauernde Offenſive zum - Stehen zu bringen, um ſie dann dur< ſtarken Gegenſtoß zurüKßzuwerfen. Wie vorweg bemerft werden ſoll, iſt leßteres den Ruſſen nirgends gelungen, wäh-z rend man zugeben muß, daß der Stillſtand unſerer Operatiznen im Oſten bis zu einem gewiſſen Grade auf der weit über 1000 Kilometer langen Front eingetreten iſt. Zwar lag der Grund hierfür niht nur an dem Aufraffen der Ruſſen und in der Verſtärkung ihrer Heere, welche geitlih mit der Übernahme des Oberbeſfehls dur<h den Zaren zuſammenfiel, ſondern auh in dem leitenden Gedanken unſerer Strategie. Dieſer wurde mehr oder minder beeinflußt dur< das Auftreten unſerer weſtlichen Feinde in Frankreih und Belgien, und anderſeits dur die Vorbereitungen, die von langer Hand her für den ſer=biſhen Feldzug zu treffen waren.
5 l, Berlin. Serbiſche Soldaten-an einer Feldküche. E