Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, S. 306

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Wichtiger als die Operation im Often war jene im Weſten Serbiens, die zur Eroberung Bosniens führen ſollte. Hierzu waren zwei Armeecorps beſtimmt: das eine an der unteren Drina bei Zwornik und Belina, das andere in den Quellengebieten der oberen Drina und ſerbiſchen Morawa.

Erſteres Corps unter General Alimpics hatte die Aufgabe, im nördlihen Bosnien den Aufſtand zu verbreiten und na< Eroberung der feſten Pläße Zwornik und Bélina gegen Trawnik und Serajewo vorzudringen. Das zweite Corps hatte nah Südbosnien - vorzurü>en und ſeine Operationen mit jenen des Fürſten von Montenegro, welcher in der Herzegowina operirte, in Einklang zu bringen. Es war dies eine Nachahmung des Feldzuges des berühmten Czerny Georg vom Jahre 1809.

Demnach zerfiel das ganze Krieg8theater in verſchiedene Operations-Schaupläße, die bei Eröffnung des Krieges wegen der bedeutenden Entfernung von einander theilweiſe völlig unabhängig waren. Als ſolhe Pläße ſind zu nennen: - bei Niſh im Gebiet der bulgariſhen Morawa, am Timok, an der unteren Drina und Save, an der oberen Drina, endli<h der völlig abgeſonderte Schauplatz in Albanien.

Was die beiden erſten Ueberſchreiter der ſerbiſhen Grenze anbelangt, ſo hatte au<h Ranko Alimpics, wie die Mehrzahl der ſerbiſchen Führer, no< niht Gelegenheit gehabt, ſein ſtrategiſhes Talent zu erproben. Sein bisheriger Lebenslauf war überhaupt ein durchaus friedlicher. Geboren um das Jahr 1826 im nordweſtlichen Theil des Fürſtenthums in der Matſhwa, genoß er den erſten Unterricht zu Belgrad, ging dann 1847 als Regierungs8zögling na< Berlin, wo er die höhere Kriegsſchule mit ausgezeihnetem Erfolge abſolvirte und ſi<h neben liebenswürdigen geſellſchaftlihen Eigenſchaften au<h dur<h ein entſchiedenes poetiſhes Talent bemerkbar machte. Fm Jahre 1854 nach der Heimat zurü>gekehrt, wirkte er als Profeſſor an der fürſtlihen MilitärAkademie zu Belgrad und avancirte in dieſer Stellung zum Major. Später, als Fürſt Miloſch den ſerbiſhen Thron wieder beſtieg, wurde Alimpics in den damals größtentheils von Militärs verwalteten Grenzbezirken Zaißar und Negotin als Natschalnik (Kreishauptmann) verwendet. Von Fürſt Michael 1863 zum Miniſter für Krieg und öffentlihe Bauten ernannt, förderte er namentli<h die Anlage guter Straßen, die Herausgabe guter Karten und man nüßlihe Organiſation im Heere. Eine ſeinem Miniſterium feindli<he Strömung brachte Oberſt Alimpics 1874 in den Senat. Bei dem Ausbruch des Aufſtandes in Bos8nien wurde er jedoh zur Bildung des Drina-Armeecorps berufen. Als Fürſt Milan der Pforte den

Krieg erklärte, wurde er zum General ernannt und überſchritt gleihzeitig mit General T\chernajeff die ſerbiſhe Grenze am 2. Juli.

Alimpics ſtand jet mit fünfzig Fahren in der Vollfraft des Lebens. Etwas über Mittelgröße und äußerſt muskulös, iſt ex no< immer voll elaſtiſcher, jugendliher Beweglichkeit, bei äußerſt gewinnenden Manieren human und bei aller Vorliebe für deutſhe und franzöſiſche Literatur, ſowie bei vollſtändiger Kenntniß beider Sprachen, jeder Zoll ein Serbe, von brennendſter Vaterlandsliebe erfüllt, für die Zukunft ſeines kleinen Staates {wärmend und dem Hauſe der Obrenowitſche treu ergeben, “mit dem crx übrigens dur< die Heirat einer Couſine des Fürſten Michael nahe verwandt iſt.

Major Djoka Vlajkowit\<, der no< vox Eröffnung der Feindſeligkeiten zwiſchen Ser-

bien und der Türkei an der Spitze ſeines mehrere -tauſend Freiwillige zählenden Corps die Drina

bei Losnißa überſetzte, gehört zu den volksthümlihſten Perſönlichkeiten Belgrads. Ungeachtet er vielfa<h verwundet, auh den Verluſt des reten Beines zu beklagen hat, iſt Vlajkowitſ<h ein Maun von ſeltener Schönheit und ſein Muth \ſprihwörtli<h geworden. Er iſt im Fürſtenthum geboren und trat 1854 als Volontair in ruſſiſche Dienſte. Während der Belagerung Sehbaſtopols zerſhmetterte ihm eine feindlihe Kanonenkugel das rete Bein; die Amputation desſelben ließ ihn aber ſo vollkommen ruhig, daß er während derſelben die Rauhwolken einer Cigarrette vor ſi hinblies. Fm ſelben Augenbli>, ſo wollte es der Zufall, ritt der inſpicirende Großſürſt Conſtantin vorüber. Ueberraſht von ſol<? gleihmüthigem Heldengeiſt nahm derſelbe ſämmtliche Orden von

feiner Bruſt und heftete fie Vlajkowitſ< an

mit den Worten: „Wahrlih, Du verdienſt ſie mehr, mein Sohn, als ih!“

Kaum geheilt, nahm der junge Offizier weiteren rühmlihen Antheil an der Vertheidigung Sebaſtopols, wobei er zwei andere ſ{<were Wunden, am Kopf und an einem Arm, davontrug. Seine überaus kräftige Natur überwand jedo<h auh dieſe neuen Prüfungen, und die Ruſſen ehrten ihn durch die Verleihung des Hauptmannspatentes ſowie einer namhaften Penſion. Nach Serbien zurü>gekehrt, ließ er ſi< mit ſeiner jungen ruſſiſhen Gattin in Belgrad dauernd nieder, wo er während des Bombardements im Juni 1862 die am Dortjol aufgeſtellten Truppen befehligte, welche beſtimmt waren, die Feſtung zu ſtürmen, falls die Diplomatie niht die Pforte zu deren friedlihen Uebergabe bewogen hätte.

Major Vlajkowitſ< hatte das einundvierzigſte Fahr überſchritten und war bei der Truppe ungemein beliebt; troß des fehlenden Beines ſißt er ſicher zu Pferd, ſein Diener mit dex Krücke