Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
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Libeigenſchaft iſt vom 3. März 1861 datirt und Großfürſt Nikolaus nahm in ſeinem Telegramm an den Czaren Bezug auf die erwähnte Reform.
So war denn der ruſſiſ<-türkiſ<he Friedens\<luß zur öffentlihen Thatſache geworden. Der Friede iſt geſchloſſen worden allein dur< Rußland, ohne die Zuſtimmung Europa's und ohne die Mitwirkung des Drei-Kaiſer-Bundes. Man hatte von Seite Europa's Rußland allein die Action im Oriente überlaſſen und ſi<h der Hoffnung hingegeben, die Türkei erhalten zu können. Dieſer politiſhe Aberglaube aber birgt für die europäiſhe Geſittung und den europäiſhen Wohlſtand größere Gefahren im Gefolge als irgend ein politiſher Mißgriff in der Geſchichte vieler Jahre. Kaiſer Alexander genießt bis jet allein den Ruhm, die Revolution im Oriente durchgeführt zu haben.
Mit der Auswec<hslung der Ratiſicationen (Beſtätigungs Urkunden), welhe am 17. März in St. Petersburg dur< General Fgnatieff und NReouf Paſcha ſtatthatte, war der ruſſiſ<türfkiſhe Krieg definitiv zu Ende, das Schwert hatte ſcine Arbeit vollbracht.
Dennoch erſchienen die Segnungen des Friedens dadur< no< niht den Völkern vollends beſcheert. Das Gewehr Arm in Arm, ſtanden no< immer die ruſſiſhen Truppen vor Conſtantinopel und die türkiſhen Soldaten arbeiteten ununterbrochen an den Befeſtigungen der türkihen Hauptſtadt.
Zwar bot die europäiſche Diplomatie all ihre \harfſinnige Kunſt auf, um ſämmtliche Tractatmächte zu cinem Friedens-Congreſſe zuſammenzuſhaaren; troßdem nahmen die Kriegsrüſtungen Englands immer größere Ausdehnung an und Admiral Hornby mit ſeiner Flotte im Marmara-Meer beobachtete mit Argu8augen jede Bewegung der nordiſchen Gäſte in und um Conſtantinopel. Ja ſelbt die Waffenbrüder der Ruſſen,
die Serben, Rumänen und Montenegriner fanden in dem Friedenëſ{hluße niht ihren erhofften Lohn für die dem Czaren geleiſtete Heeresfolge. Den Serben war der gebotene Antheil an der Kriegsbeute zu klein, den Montenegrinern ward die Freude über die Vermehrung ihres Gebietes und die ſo lang erſehnte Erwartung eines Hafens dadurch verbittert, daß ihr öſterreichiſher Nachbar die unnatürliche Vergrößerung niht dulden zu wollen Miene machte, und die Numänen, welchen der Czar für ihre treu geleiſteten Dienſte Beßarabien entzichen wollte, proteſtirten laut gegen dieſe Beſtimmung aus dem Frieden von Stefano. UVeberhaupt war durch das ruſſiſche Poſſenſpiel, wel<hes anſcheinend no< eine Türkei in Europa beſtehen ließ, ohne den Türken die Möglichkeit einer halbwegs geſicherten unabhängigen Exiſtenz zu belaſſen, der europäiſhe Wirrwar auf das höchſte geſteigert worden. Die Diplomaten hatten eben wieder einen ihrer Mißerfolge zu verzeihnen. So wie die Reformnote des Grafen Andraſſy, das Berliner Memorandum die Conſtantinopeler Conferenz, das Londoner Protocoll das Verirauen und die Hoſſnungen auf die Segnungen des Friedens wiederholt getäuſcht hatten und zu papierenen Deukmälern für die Niederlagen der europäiſchen Diplomatie geworden waren, ſo war auh wieder der Präliminar-Friede von San Stefano für dieſelben ein neuer, anſcheinend unentwirrbarer gordiſher Knoten, ein für den Augenbli> unaufgelöſtes Problem. Und die Völker Europa's ahnten bereits, daß das Papier, auf welchem die 29 Paragraphe des Friedens ſtanden, vielleiht bald zur Kriegsfacl werden könnte, um die ganze Welt in Brand zu ſte>en!
Und ſo erſholl ern und eindringlich die Mahnung an Rußland, ſcine Erfolge mit weiſer Mäßigung zu genießen, denn nicht blos der Adel — auch der ſiegreihe Ruhm verpflichtet!