Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, S. 321
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Montenegros Eintritt in den Krieg und die Sperrung des Hafens von Kleßk.
Auh der Krieg Montenegros gegen die Türkei war im Beginnen. Obwohl die Montenegriner dur ein volles Fahr ihre Borbereitungen getroffen hatten, mate ſi< dennoh in leßter Stunde eine gewiſſe Ueberſtürzung bemerkbar, da niht Alles für dieſen Tag bereit war. Die Eile war eine ſo große, daß ein Arzt, die Feldapotheke und die Kiſte mit den cirurgihen Jnſtrumenten zurübleiben mußten, da keine Pferde für dieſelben in Bereitſchaft waren. Man hatte niht einmal die Betheiligung der Miriditen abgewartet, deren Zuſtimmung man jedoh für geſichert hielt, da ſich einer der einflußreicſten Häuptlinge dieſes kriegeriſhen Stammes im Generalſtabe des Fürſten Nikolaus befand. Auch waren bereits mehrere ruſſiſhe Offiziere in Cettinje eingetroffen, um berathend demſelben zur Seite zu ſtehen. Ebenſo war der Oberſt außer Dienſt, Belimarkowitſ<, von der ſerbiſchen Regierung abgeordnet worden, um Serbien während des Krieges im Hauptquartier des Fürſten von Montenegro zu vertreten. Unzweifelhaft legte Rußland ein reges Fntereſſe für die montenegriniſhe Sache an den Tag, wofür auh die Verfügung zeugte, daß der ruſſiſche Generalconſul Fonin mit zwei Secretairen auf die Dauer des Krieges den ſtändigen Aufenthalt von Raguſa nah Cettinje verlegen mußte.
Montenegro war mit Lebensmitteln auf die Dauer von ſe<s Monaten wohl verſehen und dieſelben lagerten für die „Armee“ und das Volk wohl aufgeſpeichert, prompt beſchafft durch die Geldunterſtüßung ruſſiſcher Freunde und das Bemühen des bekannten ruſſiſhen Agenten Weſſel ißky. Vor dem Ausmarſche erließ der Fürſt einen Befehl, daß kein Dorf niedergebrannt, feine Kula oder Feſtung beſchoſſen werden ſollte, ehe nicht die dreimalige Aufforderung zur Uebergabe ſih als erfolglos erwieſen haben ſollte. Es war die Stimmung der montenegriniſchen Krieger eine äußerſt gehobene.
Ein blutiges Vorſpiel zu: dem eigentlichen Kriege fand bereits am 1. Fuli bei Podgoriza ſtatt; dort traf ein montenegriniſ<hes Streifcorps mit den Türken zuſammen. Der Kampf wax ein heftiger und würde jedenfalls größere Dimenſionen angenommen haben, wenn die in der Nacht vom 1. auf den 2. Fuli von Cettinje aus na<h Conſtantinopel telegraphiſ<h vermittelte Kriegserklärung bekannt geweſen wäre. Tags darauf begann der allgemeine Aus marſh des montenegriniſhen Streitcorps, welcher _ mehrere Tage dauerte. Am 6. Juli wurde Halt gemacht und vom Fürſten Nikolaus das fol-
gende Kriegs8manifeſt an die Herzegowiner erlaſſen :
„Herzegowiner! Berufen von der göttlihen Vorſehung, von meinem eigenen Pflichtgefühle, von dem Willen meines kleinen, aber freien und heldenmüthigen Staates, von der brüderlichen Liebe, die ih für Euch hege, und von dem Wunſche, daß das Volk der Serben ſi befreie und einige, welchen liebevollen Wunſch ih von meinen Vorfahren ererbt und immerdar auf das Lebhafteſte genährt habe, betrete ih die Herzegowina, um die Sklavenfeſſeln zu brechen, welche ſeit Jahrhunderten Eu < knechten.
Herzegowiner! Es iſ meine feſte Ueberzeugung, daß ih damit au< Euren eigenen heißeſten Wunſch erfülle, Jhr habt mir immer und bei jeder Gelegenheit die Ueberzeugung verſchafft, daß Jhr bei Eurem, an Leiden ſo überreichen Schikſale nur des Tages harret, an welchem unſer gemeinſchafſtliher Kampf gegen türkiſche Gewalt Euch von dem türkiſchen Joche befreien ſoll.
Herzegowiner! Dieſer erſehnte Tag i angebrochen und, wenn Gott will, glücklih angebrochen für uns Alle — dieſer Tag, an welchem unſer Kampf beginnen ſoll, der Euh zu freien Herzegowinern macht. Heldenmuth, gemeinſchaftliche Arbeit und Gehorſam werden zuſammenwirken zu einem glü>lihen Erfolge. So Gott will, wird die Herzegowina bald frei ſein und Jhr werdet Euch derſelben Unabhängigkeit erfreuen, auf wel<he Euere Brüder Montenegriner immer ſo ſtolz ſind. y
Immer hat in der Herzegowina die Blüthe der ſerbiſchen Nation gelebt, welhe zu vernichten fünf Jahrhunderte der barbariſcheſten Schre>ensthaten niht vermochten. Darum iſ dieſer Krieg bezeihnend für Euh. Ein ſ{<önes ſerbiſches Sprichwort ſagt: Die Herzegowina hat die Welt bevölkert und fi ſelbſt niht entvölkert.
Herzegowiner! Verlieret niht auf einen Augenbli> Eueren heldenhaften Muth. Gott iſt barmherzig und gere<t und heilig iſt die Sache, für welhe wir kämpfen. Wir werden ſiegen, ih bin mit Euh und mit Euch iſ jeder Montenegriner. Alles, Tod und Leben wird uns vereint finden und darum vorwärts!
Herzegowiner vorwärts! Folget mir und dem Banner von Montenegro, dem Zeugen ſo unzähliger für uns ruhmvoller und für die Türken verderbenbringender Schlachten !
Herzegowiner! Unter türkiſcher Gewaltherrſhaft habt Jhr Unerhörtes erduldet und ih erduldete es mit Euch und empfand es immer mit