Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
des Handelns anzuſehen. Man verſuchte es eben in Wien, ſelbſtſtändig ſeinen Weg durch die labyrinthiſhen Jrrgänge am Goldenen Horn zu finden und war bei dieſem Verſuche niht ſo übel gefahren, Daß in England die ernſten Bemühungen Oeſterreihs, auf eigenen Füßen zu ſtehen und auf eigene Fauſt Politik zu machen, mit ſehr gemiſchten Empfindungen betrachtet werden mochten, war zwar exrklärlih, aber zu Anklagen und Schmähungen hatte die veränderte Haltung Oeſterrei<hs dem Fnſelreihe wahrli<h keine Handhabe geboten, und geradezu lächerlih wirkte es, wenn wie damals ein gewiegter Politiker ſi<h ausdrü>te der „wohlconditionirte John Bull \fi< in die Rolle der verlaſſenen Ariadne auf Naxos verſeßte, die dem undankbaren Bacchus Oeſterreih ihre Flüche nachſendet“.
Wenn die Frage \{<on einmal unvermeidlich geworden: Hat ſi< England von Oeſterreih, oder Oeſterrei<h von England in den Angelegenheiten des Orients getrennt ? — ſo war auch die Antwort niht zu umgehen, daß England ganz allein die Schuld trug an den neuen Gruppirungen der Mächte im Orient. Nicht Oeſterreih hatte den Beiſtand und die werthvolle Unterſtüßung Englands in Conſtantinopel aufgegeben, ſondern Engſand war einfa<h troß ſeines Botſchafters und ſeiner glänzenden vielköpfigen Geſandtſchaft in der türkiſhen Hauptſtadt — nicht zu finden, wenn es von der öſterreichiſhen Fnternuntiatur geſucht wurde. Handelte es ſi<h in wichtigen Fragen um harmoniſches Hand-in-Handgehen, und machte ſih der kaiſerlihe Fnternuntius, entſprechend den im Geſandtenviertel Pera dur<h lange Uebung ehrwürdig gewordenen Traditionen, dex Unterſtützung des engliſchen Botſchafters gewiß, zu dieſem auf den Weg, mußte er gewöhnlich, wie Gott der Herr im Paradieſe, vergebli<h fragen:* „Adam wo biſt Du?! — Freilich der „Lord“ oder „Sir Adam“ ließ ſi< finden und war au< in der Regel o lieben8würdig, als dies ein Engländer nur zu ſein vermag, aber zu einem eigentlichen Entſchluſſe, zu einer friſhen „That“ wollte ſi<h der Geſuchte niht finden laſſen. Die im Mutterlande zur Herrſchaft gelangten Principien der Mancheſterſchule, der auf die Spiße getriebene Grundſaß dex Nichtintervention paralyſirte von Fahr zu Jahr mehr die ehemals ſo ſprungbereite Thatfraft der Vertreter Englands ‘in Conſtantinopel. Wenn „Lord Feuerbrand“ (wie Palmerſton ſehr wißig genannt wurde) des Guten zu viel gethan und ſi<h ſelbſt in Dinge gemengt hatte, die ihn auf ſeinex Warte im „Foreign-Office“ (au8wärtigen Amte) gar niht hätten berühren ſollen, ſo verfielen ſeine Nachfolger und die Agenten derſelben im Auslande ſchr bald in das andere Extrem, und ſpeciell in Conſtantinopel that England niht nur des Guten zu wenig,
ſondern es that zur Verzweiflung ſeiner Freunde gar ni<hts. Es war offenbar der Anſicht, mit dem Abſchluſſe des Pariſer Friedens ſei no<mals das Zeitalter Saturn's für die Türkei angebrochen, und da empfehle ſi<h, den Milh- und Honigſtrömen ungehindert ihren Lauf zu laſſen.
So ſollte denn die <roniſ<h gewordene Paſſivität Englands niht wenig dazu beitragen, Oeſterreih die Nothwendigkeit einer veränderten Politik im Orient nahe zu legen; es ſah ſi< von den „natürlichen“ Bundesgenoſſen, wenn auh nicht verlaſſen, ſo do< gleihgiltig behandelt und mußte auf einen Erſa bedacht ſein. Daß es ihn gefunden, daß es ihm gelungen, über Berlin eine Brücke nah St. Petersburg zu ſchlagen, das reizte die Galle der ſtolzen Fnſulaner; es wurde alles mögliche Unheil aus dem neuen Bündniſſe prophezeit, das Schwinden des öſterreichiſhen Anſehens im Auslande, der Verfall ſeiner Macht im JFunern.
Ob nun Oeſterreichs Anſehen im Auslande größer war, als es no< zur Verherrlihung der Größe Englands in den Krieg zog und dafür engliſche Pfunde als Subſidien einſa>te, das wäre doh zu bezweifeln. Das engliſche Gold iſt Oeſterreih ni<t zum Segen geworden und den Glanz des Sternes Oeſterreichs erhöhte es au< nicht, daß dasſelbe überall in Wehr und Waffen zu finden war, wo es ſi< um die Wahrung engliſcher Jntereſſen handelte. ODeſterreih hat wiederholt und bis zur Außerachtlaſſung der eigenen Fntereſſen jene der „Seemächte“ geſhüßt und dafür faum den herzlihen und a<tungsvollen Dank der ſtolzen Protectoren eingeerntet; war es doch für ſeine Dienſte „bezahlt“, was wollte es mehr!
Das ſollte endlih denn do<h anders werden. Fn der Schule Englands und aus den Muſtern britiſher Staatsmänner hatte Oeſterreich gelernt, den eigenen Nuben, den eigenen Vortheil über den Fremder zu ſtellen. Es wollte nun einmal verſuchen, von nun an überall, alſo au<h im Orient, Nüßlichkeits politik zu treiben. Wenn es ihm gelang, ſo zeigte es ſi< nur als gelehriger Schüler Englands. Großbritannien hat nie eine andere Politik gekannt als eine engliſche, warum ſollte es Oeſterreih verwehrt ſein, eine öſterreihiſ<e Politik zu inauguriren? Dex Unmuth der Engländer war kein Grund, es aufzuhalten in Verfolgung ſeines Zieles, das im feſten Z ufſammenhalten mit Rußland und Deutſ<hland die Erhaltung des Friedens auf eine Reihe von Fahren garantirte. Allerdings inocte ſo manchem Engländer, welcher weiter blite und mehr im Auge hatte als den morgigen Tag, etwas bange werden wegen der Zukunft feines indiſhen Weltreiches, da nun au< Oeſterreich nicht mehr zu den Continentalmächten zählte, auf die der britiſche Lopard ehemals unbedingt re<nen