Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Commandanten eine große Mißſtimmung hervorrufen müſſe.

Mehemed Ali Paſcha zählt zwiſchen 45 bis 48 Jahre. Er iſt von mittlerer Größe, ſhlanker Figur, hat eine auſre<te Haltung und ein imponirendes, ſelbſtbewußtes Auſtreten. Ein ſhütterer blonder Bollbart umrahmt ſein \<hmales, wenig gefärbtes Geſicht. Ein feiner Schnurrbart ziert die Oberlippe, zwei lihtblaue Augen leuchten vielverſprechend unter den Brauen hervor, ſie ſind der treue Spiegel der momenmilde aber

tanen Empfindungen und verrathen bald ſtets

Güte, bald entſchloſſene Strenge, Energie und Selbſtbewußtſein. Mehemed Ali Paſcha iſ der türkiſchen, deutſchen und franzüſiſhen Sprache und Schrift glei mächtig. Ex überlegt weiſe jedes Wort, was er ſpricht ; die Rede iſt daher, wenn auch fließend, o do< langſam ; erwärmt ex ſi< jedoh an dem Gegenſtande, den er beſpricht, dann geräth ſie in raſhen Fluß und wird von einer Lebhaftigkeit gejagt, die in ſeinen mitſprehenden Zügen ihr Wieder-

ſpiel findet.

Aus der Fugendzeit des neu ernannten Generaliſſimus ſind einige harafteriſtiſche Details bekannt. Karl Detroit, ſo hieß einſtens Ali Paſcha, beſuchte die Vorbereitungshule zu Magdeburg. Schon damals bekundete er das „ſtrategiſche“ Talent im Kampfe mit den Schüſern der benachbarten Bürgerſchule, wo er bei den häufigen Kriegsſpielen, beziehung8weiſe Gefe<hten mit den Schülern anderer Shulen, immer tüchtig war. Sein excentriſhes Weſen und ſein Hang. zu Jntriguen, in denen der reihbegabte Knabe ſehr erfinderiſh, wie überhaupt zu allen Thorheiten aufgelegl war, brachten ihm von allen Seiten Kniffe und Püffe genugſam ein, die er auh meiſt in gutem Humor hinnahm, oder wenn er ſie vergalt, ſo geſchah es nur in blinder Wuth.

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Mehemed Ali Paſa.

Auch lag etwas Schauſpielerhaftes in ſeiner Art, weshalb er au< unter ſeinen Mitſchülern den Spißnamen „histrio“ (Art Pantomimiker) führte. Die Mittheilung eines carakteriſtiſhen Pröbchens möge davon Zeugniß geben. Es war üblich, daß in einer der deutſhen Stunden ein Schüler zur Seite des Katheders ein ſelbſt ausgewähltes Gedicht declamiren mußte. Karl Detroit hatte ſi< dazu das bekannte Gedicht „Gott grüß! Euch Alter, <hme>t das Pfeifen“ gewählt, in welchem ein alter Fnvalide erzählt, wie er zu ſeiner koſtbaren Meerſchaumpfeife im Türkenkriege bei Belgrad gekommen, wo er ſie einem Paſcha abgenommen, und die ihm darum ſto lieb geworden, da er ſie in allen Feldzügen bei ſich geführt und im Stiefel verwahrt habe. Ja, als er in einer Schlachtam Fuße verwundet worden, fährt er fort, „da griff ih erſt nah meiner Pfeife und dann nach meinem Fuß.“ Bei dieſer Stelle beugte ſich Detroit nieder und holte zur ungeheueren Heiterfeit der Claſſe eine kurze Pfeife aus dem Stiefel hervor. — Aus dem unanſehnlihen Schüler war ein türkiſher Generaliſſimus geworden. Die Vollmachten, mit denen er ausgeſtattet erſchien, waren eben ſt#o weitreichend wie die Auszeihnungen, die ihm vom Großherrn zu Theil wurden. — Vor den Augen ſeines ganzen Hofſtaates umarmte ihn der Sultan, füßte ihn auf beide Wangen und beſhwor ihn, mit Thränen in den Augen, das ſo hart bedrängte Land zu retten. Man hätte es Abdul Hamid, der bisher nur eine willenloſe Puppe in den Händen Redif's, Mahmud Damat’'s war, nicht zugetraut, daß er aus eigenſtem Willen ſo zu handeln fähig war. Auch ſonſt wurde Mehemed Ali in der \{<meicelhafteſten Weiſe ausgezeihnet. Das Großkreuz des Osmanieh-Ordens, ein rei< mit Brillanten beſehter Ehrenſäbel, auf dem

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