In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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aufmweilt; als Tölpel gilt er, wenn er vergleichen nicht aufweilt,“ bemerkt Eduard Reich recht herb. Aber aud) die Vermwunderung führt den offenftehenden Mund herbei, worauf Darwin jhon hinwies. An feinem Werk iiber den „Ausdrud der Gemütsbewegungen”“ jagt er: „Eine jede plößliche Seelenvegung, mit Einfluß des Erftaunens, bejchleunigt Die Herztätigfeit und mit diefer au) die Nejpiration. Num fünnen mir viel ruhiger durch) den offenen Mund als durd) die Ntafe atmen. Wenn wir daher mit gejpannter Aufmerfjamfeit auf irgend einen Zaut zu hören wünfchen, jo unterbrechen mir entweder das Atemholen, oder wir atmen, indem mir unjeren Mund öffnen und gleichzeitig unferen Körper bemwegungslos halten, jo ruhig als möglid." Wenn mir aljo die Aufmerkfjamfeit auf irgend einen Gegenftand gejpannt fonzentrieren, werden jämtliche Organe vergefjen, die nernöfe Energie vermindert ji), die Musfeln erfchlaffen und die Kinnlade jinft dur ihr eigenes Gemicht ichlieglich herab.

Der weitaufgeriffene Mund

wird dur eine gewaltfame Bewegung herbeigeführt und tritt meift in Affeften ein, namentlid) bei Furt, Todesjhred und Entfegen. Ferner tritt er als Schredgejpenjt der Langmweile in großen Gejellihaften auf, wenn die Unterhaltung zu jtoden und das Gähnen beginnt. Das Gähnen ift eine langgezogene Einatmung, wodurd) der Organismus durd) jtarfe Sauerjtoffzufuhr feiner Erjchlaffung entgegenwirken will. Befanntlich tritt das Gähnen bei verdorbener Yuft leicht ein.

Der gefdiloffene Mund

jtellt nur einen negativen Gefühlsausdrud dar, er gilt als gleichgültige nichtsfagende Miene. Diefjem Bemupßtjein entjtammt zweifellos aud) das mwarnende Sprihmwort: „Wer einen Mund bat, joll fi) die Suppe nit vom Nachbar blajen lafjen“ und das höhnifche: „Laß den Mund verjchlofjen fein, jo jchludjt du feine Fliege ein."

Der zufammengepreßfe Mund.

Wenn wir irgend etwas mit Den Zähnen zerbeigen oder zerfleinern mollen, prejjen wir die Kiefer aneinander. Diefelbe Prozedur wiederholt der Menjch bei £örperlichen AUnjtrengungen und bei roher Züchtigung eines Tieres. Sie ilt zwar jinnlos,