In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen
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diejer Zehre ziehen und nit auf intuitive Urteile angemiefen jein. Richter und Deliquent führen oft ein intereffantes Duo vor den Schranken des Gerichtes auf, jagt Schad, und führt dem Sinne nad) aus: weil jie auf Grund phyfiognomifcher Wahrnehmungen ineinander einzudringen und ihr Terrain vorzubereiten juden. Der Richter pflegt während des Kreuz: und Querganges im Berhör, den verjtodten Sünder bald mit milden verfühnenden Ton zu erweichen, bald mit fraftvollen donnernden Worten zu verwirren umd zu jhreden, um fo den Eindrud feiner vorbereiteten Ueberrafhung zu prüfen. Auf diefe Weife jucht ex feine moralifche Ueberzeugung zu befejtigen, ob der Angeklagte wahr oder unmwahr in jeinen Angaben und Zugeftändniffen ift. Auf der anderen Seite jucht wieder der gemiegte vielerfahrene Sträfling, im jeweiligen Ausdrud der richterlichen Phyjiognomie, den Maßjtab dafür, wie viel er entgegnen, in welchem Tonfall er fprechen darf. Auf beiden Seiten geht man oft mit größtem Scharffinn vor, und der fundige talentvolle Richter, fommt der Wahrheit durd) Die Merkmale der Phyfiognomit oft viel näher, als durch) äußerliche juridifche Formeln und ndicien.
Geiftlihe, Erzieher und Lehrer jeder Urt, werden bei genauer Kenntnis Des Geelenlebens und feiner Aeußerung, meniger unmillig ji) zeigen, nie die Zügel ihres Temperamentes Ihießen lajjen, weil fie felbft die feinften Negungen des Verwirrtjeins, der Angjt und Erregung oder der Gleichgültigfeit beim Schüler erfennen werden. Dajjelbe wäre iiber Eltern und Kinder, Hausfrauen und Dienftmädden, Gejchäftsinhaber und Angeftellte zu jagen. Umnbejtreitbaren Wert fiindet als Ermunterungsruf aud das Dichterwort:
Tröftlid ift ed, an berühmten Weijen, Angejtaunten Helden zu entdeden
Zwiichen ihrem Götterglanz die Fleden, Die und ihre Sterblichkeit beweiien.
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