Marxismus und Darwinismus
STS
Auch der Werkzeuggebrauch erfordert eine Geſellſchaft. Denn nur innerhalb einer Geſellſchaft können die dazu nötigen Kenntniſſe ſih erhalten. Allein lebende Urmenſchen müßten jeder für ſih infiner wieder aufs neue dieſen Gebrauch erfinden; mit dem Tode des Erfinders würde die Erfindung erlöſchen und jeder müßte von vorne anfangen. Nur in einer Geſellſchaft können die Erfahrungen und Kenntniſſe der vorigen Geſchlechter erhalten bleiben, ſi fortpflanzen und dadurch ſtetig zunehmen; denn von einer Gruppe, einem Stamme können die einzelnen Mitglieder ſterben, aber das Ganze iſt gleichſam unſterblich. Die Kenntnis des Werkzeuggebrau<hs wird nicht angeboren, ſondern erſt ſpäter erlernt; daher iſ eine geiſtige Tradition nötig, wie ſie nur beim geſellſchaftli<hen Zuſammenleben möglich iſt.
Sind alſo die ſpeziellen Merkmale des Menſchen von ſeinem ſozialen Leben unzertrennlich, ſo ſtehen ſie au<h miteinander im engſten Zuſammenhang. Sie haben ſi<h niht jedes für ſih, ſondern gemeinſam entwi>elt. Daß Denken und Sprache nur zuſammen beſtehen und ſi<h nur zuſammen entwi>eln fonnten, muß jedem ſofort einleuchten, der ſih die Natur ſeines eigenen Denkens klar maht. Wenn wir mit Bewußtſein denken, alſo überlegen, reden wir eigentli<h mit uns ſelbſt; wir bemerken dann, daß wir ohne die Worte der Sprache gar nicht klar denken können. Wo wir niht mit Worten denken, bleibt das Denken verſ<hwommen, fönnen wir nicht die einzelnen Gedanken ſcharf feſthalten. Das kann jeder aus eigener Erfahrung wiſſen. Die Urſache liegt darin, daß das menſchliche, ſogenannte abſtrakte, vernünftige Denken begriffli<hes Denken iſt, mittelſt Begriffe ſtattfindet. Begriffe können wirx aber nur dur<h Namen bezeichnen und feſthalten. Jede Vertiefung des Denkens, jede Erweiterung des Wiſſens muß damit anfangen, dur< Namen zu unterſcheiden, neue Namen zu geben oder alten eine präziſere Bedeutung beizulegen. Die Sprache iſt der Körper des Gedankens, das Material, womit allein die menſ<hli<he Wiſſenſchaft ſich aufbauen kann.
Der Unterſchied zwiſchen dem menſ<hli<hen und dem tieriſchen Denken iſt ſehr treffend von Schopenhauer ausgedrüt in einem Zitat, das auch Kautsky in ſeinem ſ{<hon erwähnten Werke (S. 95) anführt. Das Tier wird in ſeinen Handlungen beſtimmt dur< anſchauliche Motive, dur<h das, was es ſieht, hört, rie<ht oder ſonſtwie bemerkt. Deshalb kann man faſt immer bei einer Handlung eines Tieres ſehen und wiſſen, was es dazu veranlaßte, denn wir bemerken es gleichfalls, wenn wir darauf a<hten. Bei dem Menſchen iſt es ganz anders. Bei ihm können wir nicht vorausſagen, was er machen wird, denn die Motive, die ihn zum Handeln treiben, ſind uns unſichtbar; es ſind Gedanken in ſeinem Kopfe. Er überlegt mit ſih ſelbſt, wobei er ſein ganzes Wiſſen, das Reſultat früherer Erfahrungen verwendet, und dieſe Ueberlegung beſtimmt ſeinen Entſchluß, in dieſer oder anderer Weiſe zu handeln. Das tieriſ<he Handeln wird dur<h unmittelbare Eindrücke, das menſchliche durch abſtrakte Vorſtellungen, dur<h Gedanken und Begriffe beſtimmt. Der Menſch „wird gleihſam von feineren, nicht ſichtbaren Fäden gezogen; daher tragen alle ſeine Bewegungen das Gepräge des Vorſäßlihen und Abſichtlichen, welches ihnen einen Anſchein von Unabhängigkeit gibt, der ſie augenfällig von denen des Tieres unterſcheidet“.