Marxismus und Darwinismus

ESOS

erſcheinen, und zu einer Erklärung der grünen Farbe des Laubfroſches z. B., die dem Tier als Shußfarbe ſo trefflich zuſtatten kommt, reichte ſie niht aus.

Darwin zog zur Löſung derſelben Frage ein anderes Gebiet der Erfahrung hinzu. Die Tierzüchter und Gärtner ſind imſtande, immer neue und beſtimmte Raſſen und Varietäten künſtlih zu züchten. Will ein Gärtner von irgendeiner Pflanze eine Varietät mit großen Blüten züchten, ſo braut er nur von dem ganzen Beet alle kleinblütigen Pflanzen vor dem Auſgehen zu vernichten und die Pflanzen mit den größten Blüten allein ſtehen zu laſſen. Wiederholt er dies jedes Jahr, ſo werden die Blüten immer größer, denn jedes Geſchlecht iſt im Durſchnitt den großblütigen Eltern gleich, und was davon erhalten bleibt, hat alſo jedesmal größere Blüten als die vorige Generation. Durch dieſes Verfahren, zum Teil unbewußt, zum Teil mit Bewußtſein gehandhabt, haben die Menſchen bei den Haustieren und den Kulturpflanzen eine Unmenge von Raſſen gezüchtet, die von ihrer Stammform oft mehr verſchieden ſind, als wilde Arten ſich voneinander unterſcheiden.

Stellte man einem Tierzüchter die Aufgabe, aus einer kurzhalſigen Antilopenart ein langhalſiges Tier zu züchten, ſo könnte ihm die Sache im Prinzip gar nicht unmöglich erſcheinen. Er brauchte nur immer die Exemplare mit den längſten Hälſen zu behalten, ſie miteinander zu freuzen und alle anderen, bevor ſie erwachſen ſind, zu beſeitigen. Wiederholt er dies bei jeder folgenden Generation, ſo muß der Hals immer länger werden und muß in ſolcher Weiſe ein giraffenähnliches Tier entſtehen.

Hier wird das Reſultat erhalten, weil ein bewußter Wille mit Abſicht ein beſtimmtes Ziel ins Auge ſaßt und dana die zum Züchten beſtimmten Tiere auswählt. Ein ſolcher iſ aber in der Natur nicht vorhanden. Jn der Natur müſſen ſi<h alſo die nah allen Richtungen vorkommenden Ab-= weichungen gegenſeitig wieder aufheben, ſo daß keine ſih immer mehr vergrößern kann. Oder, wenn dies nicht zutrifft, wo iſ dann die Kraft in der Natur, die eine Auswahl trifft?

Darwin hat lange vor dieſem Problem geſtanden, bevor er die Löſung in dem Kampf ums Daſein fand. Jn dieſer Theorie ſpiegelt ſih die Zeit, die Produktionsordnung, worin er lebte, wieder; denn der kapitaliſtiſche Konkurrenzkampf war es, der ihm als Vorbild zu dem Daſeinskampf in der Natur diente. Nicht aus eigener unmittelbarer Beobachtung, ſondern mittelbar aus einem Werke des Oekonomen Malthus bot er ſi< ihm dar. Malthus verſuchte die Tatſache, daß in der bürgerlichen Welt viel Elend und Hunger herrſ<ht und viele in dem Konkurrenzkampf zugrunde gehen, daraus zu erklären, daß die Bevölkerung immer raſcher wächſt als die Menge der vorhandenen Leben8mittel. Für alle ſei alſo keine Nahrung da; ſie müſſen deshalb miteinander um die Exiſtenz kämpſen, wobei eine große Anzahl elend zugrunde gehen muß. Durch dieſe Theorie wurden ſowohl die kapitaliſtiſche Konkurrenz wie das Elend für ein unvermeidliches Naturgeſebß erklärt. Darwin teilt in ſeiner Selbſtbiographie mit, daß dieſes Werk ihn auf den Gedanken des Kampfes ums Daſein brachte:

„Im Oktober 1838, alſo fünfzehn Monate, nahdem ih meine ſyſtematiſche Unterſuchung angefangen hatte, las i< zufällig zu meiner Er-