Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

C. Mesopotamien. Harraniter oder Ssabier. 171

Menschen Askese und Bezähmung der niederen Triebe verlangen, damit dann durch die geistigen Wesen, „die Mittler“, die Inspiration eintreten kann. Die schlagendsten Parallelen zu den Hermetischen Schriften aber gibt das Streitgespäch der Ssabier, der Verehrer des ’Ayoßöc daiuwv und Hermes, mit den Rechtgläubigen, das wieder Schahristäni berichtet (Chw. II 424 ff.). Ich hebe einige Sätze heraus.

Die Ssabier sagen: die geistigen Wesen sind durch eine Schöpfung aus dem Nichts hervorgebracht, weder aus einem Stoff, noch aus einer Materie (ÜAn), und sie sind alle eine Substanz von einer und derselben Wurzel.!) Ihre Substanzen sind reine Liehter ohne alles Dunkel, und wegen der Stärke ihres Lichtes kann der Sinn dieselben nicht erfassen und der Bliek sie nicht wahrnehmen, und wegen der äußersten Feinheit (?) derselben kommt der Verstand bei ihnen in Verwirrung und hat die Phantasie an ihnen kein Feld der Tätigkeit.?) — Die Rechtgläubigen wenden ein: Wie habt ihr sie dann erkannt? Die Ssabier erwidern: Durch die Offenbarung des ’Aradöc daiuwv und Hermes. Schon darin liegt ein Widerspruch, wie die Rechtgläubigen betonen. Auch wenn die Ssabier gegen Mohammeds Prophetentum einwenden, Gott oder ein Engel könne nicht zu einem Menschen reden oder sich zu ihm herablassen, so widerstreiten sie ihrer eigenen Lehre, daß Hermes der Große zur Geisterwelt emporgestiegen ist, so daß er in ihre Reihen aufgenommen wurde.®) — Der sichtbaren Körperwelt steht nach der Lehre der Ssabier jene Geisterwelt so gegenüber, daß sie allein vollendete Wirklichkeit und vollkommene Existenz hat, die körperliche aber nur bedingte Wesenhaftigkeit; sie gibt nur das Abbild der geistigen und steht zu ihr wie der Schatten zu der Person. Die geistigen Wesen sind kat’ Evepyeiav, nicht kar& duvauıv vollkommen; zu ihnen muß also der Mittler gehören, der andere vollkommen machen

1) Vgl. oben S. 127: &v t& navra kai udAıcra Ta vonta cubuara (Ayadoc daluwy aus Heraklit).

2) Sie sind dkardAnmroı to vi oder dvönroı, vgl. IX (X) p. 65, 14 Parthey: 6 de Qeöc oux Uhcnep &vioıc dökeı (d.h. wie in einer Hermetischen Schrift steht) dvalchntöc Ecrı kai Avönroc. Uno Jap deicidaoviace BAacpnuoücı.

3) Von der Himmelfahrt des Hermes wird in diesen Quellen mehrfach berichtet; sie vollzieht sich in einer Säule von Licht (vgl. S. 122; 136). Hermes ist in der Lehrschrift, die hier vorausgesetzt wird, offenbar zunächst Mensch, der ’Aya8öc daluwv, der Noüc, also Gott.