Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

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von Oſten nah Weſten - erſtre>t, beträgt in gerader Richtung nach ungefährer Schäßung etwa eine gute Viertelſtunde, ihre Breite von Norden nah Süden etwa zehn Minuten mäßigen Schreitens. Das ganze Eiland beſteht aus einem faſt kahlen Kalkfelſen, der ſich in zwei Hauptkuppen, eine öſtliche und eine weſtliche trennt, welche beide ungefähr eine Höhe von drei bis vierhundert Fuß über dem Spiegel des Sees erreichen mögen. Die erwähnten Wohnungen auf der nordöſtlichen Seite, die einzigen auf der Inſel, ſind hart am Abhange erbaut, an welchen das Waſſer ſo nahe heran tritt, daß nur ein kleiner freier ebener Raum zum Landungsplaßze übrig bleibt.

Sobald wir auf einem höhern Punkte den Berg erſtiegen hatten, gewannen wir eine freiere Ausſicht. Hinter den nördlichen Ufern des Sees von Scutari, zwiſchen den Ausmündungen der Flüſſe Czernojeviha und Mora>ſa erſtre>te ſich eine fortlaufende Bergkette. Nach Oſten zu ſah man unfern die türkiſche Feſtung Xablja>z; vor ihr und zu beiden Seiten derſelben nah Norden, wie nah Süden, zeigte ſich theils ebener A>erboden, theils Wieſen und Sumpfland. Auf dem See und der Moraſa fuhren durch die gebahnten Fährten und Canäle feŒ eine Menge montenegriniſcher Böte hin und her, deren Führer, theils ihre dortigen Wieſen, theils ihre Ae>er beſuchten. Es iſt erſtaunenswerth, was dies Volk wagt! Auf Büchſenſchußweite nahen ſie ſih der türkiſchen Feſtung, wenn auch bewaſfnet, doch jeden Augenbli> in Gefahr, überfallen zu werden. Mögen die Türken immerhin an dieſer Grenze mehr Reſpect vor den Montenegrinern, als ſonſt wo haben, und ſich fürchten, aus ihrer Feſtung, die ihnen, wie ſhon erwähnt, vor Kurzem faſt genommen wurde, hinaus zu wagen, ſo iſt doch ihre Treuloſigkeit und Hinterliſt ſo verſchrieen, daß man \hle<terdings die Tollklhnheit der Einwohner von Wranina und der Umgegend nicht begreifen kannz um ſo weniger, als dieſe Jnſel ſelbſt vor vier Jahren nur noh den Türken gehörte, jene deshalb alſo wohl wieder einmal Luſt haben könnten, ſich durch einen plöglichen Handſtreich derſelben zu bemeiſtern.

Die Kalkberge Wraninas ſind unfruchtbar. Mit Ausnahme einiger Maulbeerbäume, die bei den Wohnungen am Ufer ſtehen, ſieht man wohl nirgends einen höhern Baum. Faſt das höchſte