Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht

93

weſtlichem Abhange wir fortwanderten, bilden den Beginn eines Höhenzuges, welcher den See von Scutari begrenzt, und ſich bis nah der Stadt gleichen Namens, wie noch weiter hin fortzieht. Die Vegetation war freundlich. Laub- und Nadelhölzer (Abies excelsa und Pinus sylvestris) wechſelten mit einander ab, und in ihrem Schatten wuchſen zu beiden Seiten des Weges an den Abhängen mancherlei ſchöne Gewächſe. Viele ſonnige Pläbchen wären von den Blüthen der ſ{önen Phlomis fruticosa, deren niht ganz niedriger Strauch zum Brennmaterial dient, ganz goldgelb gefärbt; andere Lippenblumen erfüllten mit ihrem ſtrengen Geruche die ſteinigen Abhänge, an denen unſer armes Maulthiec mit viéler Plage und ſorgſamer Wahl: des Pfades hinabſtieg. Wilder Epheu überzog hie und da das Erdreich und ſchmiegte ſich enge an die Fugen der Felſen, die Gefahr drohend über uns hingen. } > Bei einer Ciſterne vor Limliani machten wir Halt, um unſerm Capitaine Ruhe zu gönnen, deſſen Gang, in Folge früher erhaltener Schußwunden erſchwert worden war. Während derſelbe einige Papiere, die er in dem Saume ſeiner montenegriniſchen Kappe verſte>t hatte, hervorzog, lagerte ſich ſogleich, wie das ja gewöhnlich geſchah, eine Schaar von Montenegrinern aus der nächſten Umgebung um ihn herum, nachdem alle ehrerbietig ihm die Hand geküßt hatten. Als die Papiere durchgeſehen waren, zündete Plamenaz ſeine mitgenommene Pfeife an und rauchte in gemächlichen Zügen. Seiner Umgebung bot er hie und da Schnupftabak an, den ein einer Brieftaſche ähnliches, aber Fleineres ledernes Beutelchen enthielt. Auch dieſes fand noh hinter dem umgelegten Saume der montenegriniſchen Kappe, einer gewiß ganz practiſchen Taſche (in der mein Spiro außer Papieren und anderen Kleinigkeiten ſogar ſeine Brille: trug) Plas. Plamenaz ſchien viel Achtung zu genießen. Als Capitain hatte er in der Provinz Czermnita, wo in der Regel drei ſolche hohe Beamte die höchſte Gerichtsbarkeit und ſonſtige Landesangelegenheiten verwalten, {hon an fich viel zu ſagen, dann aber war er auh als Pope in der Umgegend viel bekannt, wenn ee. gleich niht mehr alle Funktionen der ſonſtigen Prieſter verrichten konnte, da er ſich zum zweiten Male verheirathet hatte. Ueberdieß gehbrte er unbedingt zu den gebildeteſten Montenegrinern,