Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
198 i Die ſchwarzen Kabinette.
troßdem in dieſer Schärfe und Ausdehnung erſt das Reſultat der neueren Kulturentwidelung. Noch bis weit in unſer Jahrhundert hinein bildete nämlich die Verlezung des Briefgeheimniſſes eine der berechtigtſten Klagen im öffentlichen Verkehrsweſen und einen dex dunkelſten Punkte in dem Kapitel von der Unſicherheit der Poſteinrichtungen. Noch übler wax es im vorigen und vorvorigen Jahrhundert. Keiner dex der Poſt zur Beförderung anvertrauten Briefe var davor ſicher, von unberufenen Perfonen heimlich geöffnet und geleſen zu werden; die Verlezung des Briefgeheimniſſes wvurde in ſchamlos ſyſtematiſcher Weiſe geübt und ſogar zum Staatsprinzip erhoben. Die Regierungen ſcheuten ſh nicht, ihre Gewalt über das SJnſtitut der Poſt dahin zu mißbrauchen, daß fie den Poſtvorſtänden zur Pflicht machten, ¡ihnen alle einlaufenden Briefſchaften vor der Ablieferung an die Adreſſaten zur Prüfung auszuhändigen, damit Diez jenigen, welche der Oeffnung werth ſchienen, zuvor erz brochen und geleſen würden. Der Polizeiwirthſchaft und öffentlichen Spionage wurde auf dieſe Weiſe ein ſehr ergiebiges Mittel in die Hand gegeben, und in der That iſt es unſäglich; was für Verfolgungen, Jnutriguen und Vergewaltigungen in dieſem verwerflichen Syſtem ihren Urſprung gehabt haben.
Raum ein Staat Euxopa's wird von dieſen groben Eingriffen in das Privatrecht ganz frei geblieben ſein; am berüchtigtſten aber hat ſi in dieſem Punkte Frankreich gemacht. Das „Cabinet noir“, d. h. das ſchwarze oder ge= heime Kabinet, wie man dort das von Staatswegen einz gerichtete Bureau nannte, in welchem die Korreſpondenzen