Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Roman von Adolph Stre>fuß. 9
Poſt gegebene zeigte auf der Adreſſe die Schriftzüge des Lieutenants, der andere trug den Poſtſtempel Hirſchberg, die Adreſſe war von Pechmayer geſchrieben. Dieſen zweiten Brief erbrach Herr v. Oſternau zuerſt, ex las ihn, dann wendete er ſich zu Frau v. Ofternau.
„Ein ſeltſamer Brief,“ ſagte er, „ſo ſeltſam und räthſel= haft wie der, der ihn geſchrieben hat. Höre ſelbſt, was der ſonderbare Menſch ſchreibt.“
Und feiner Gewohnheit folgend, alle wichtigen Briefe im Familienkreis laut vorzuleſen, wenn ihr Fnhalt nicht eine Geheimhaltung unbedingt erforderte, Tas er:
„Leben Sie wohl! Wie ſ{hwex es mix wird, zu ſcheiden von Jhnen, dem edlen, großherzigen Mann, für den ih die innigſte Verehrung fühle, von Frißchen, meinem theuern Schüler, der mir fo tief in's Herz gewachſen ift, von dem trauten Familienkreiſe, in wel<hem ih ſo ſchöne, glücliche Stunden verlebt habe, das vermag i<h Jhnen mit Worten nicht auszuſpre<en! Leben Sie wohl! F< muß von Jhnen ſcheiden ſhmerzerfüllien Herzens, ſcheiden für immer! Mein Schmerz wird erhöht dur< das Bewußt= ſein der Schuld. Sie vertrauten mir, und ih habe Sie getäuſcht. Mein ganzes Leben in JFhrem Familienkreiſe wax eine Lüge. Auch jeßt, da ih von Jhnen ſcheide, darf ih Jhnen die Wahrheit nicht ſagen, ih darf Sie nur bit= ten, verzeihen Sie einem Unglülichen, der nie die Dankbarfeit vergeſſen wird, welche er Fhnen ſchuldet. Leben Sie wohl!“
„Eine Unterſchrift trägt der räthſelhafte Brief nicht,“ ſagte Herr v. Oſternau, den Brief ſeiner Frau libergebend.