Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

T0 Ines de Caſtro.

ihn gewarnt, vor den Räthen des Königs auf der Hut zu ſein. Allein das Vertrauen auf die Rechtlichkeit ſeines Vaters ließ ihn nicht daran glauben, daß man ſi< an einer Frau vergreifen würde, die ihm, dem Kronprinzen, ſo nahe ſtehe. Und ſo kam es, daß Don Pedro jeßt voll Sorgloſigkeit für mehrere Tage den Freuden der Jagd nachgegangen wax, ohne zum Schuße der in Coimbra ZU= rüdgebliebenen Jnes die geringſten Vorkehrungen getroffen zu haben. Dieſer Umſtand war dem König und ſeinen Begleitern wohl bekannt.

Als die unglü>lihe Frau den König mit einer Schaar Bewaffneter herankommen ſah, durchzu>te eine ſchre>= liche Ahnung ihre Seele. Aber jeder Ausweg, um ſich und thre Kinder zù retten, war abgeſchnitten. Bleich wie ein Bild des Todes, zwei ihrer Kinder auf den zittern= den Armen, warf ſie ſih dem König zu Füßen, als ex zu ihr in's Gemach trat.

„Herr,“ rief ſie mit bebender Stimme, während Thrä= nen über ihre Wangen rannen, „Herr, warum willſt Du mich tödten ohne Urſache? Habe Erbarmen mit mix, dem Weibe Deines Sohnes! Tödte mich niht ohne Grund! Und haſt Du kein Mitleid mit mix, ſo habe es mit dieſen, Deinen Enkeln, Deinem Blute!“

Dieſe von der Todesangſt eingegebenen Worte und der Anbli> des ſ{hönen Weibes, an das ſich weinend die Kinder ſchmiegten, ließen den König nicht ungerührt. Seine Bewegung zu verbergen, wandte er der Flehenden alsbald den Rü>en und verließ das Zimmer, ohne ein Wort zu ſagen. Seine Diener mußten ihm natürlich