Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Von Georg Jachmann, SONEN

gehen mußte. Ueber das Trauxige feiner Lage tröſtete ihn nux die reiche Bibliothek ſeines Herrn, die ex in ſei= ner freien Zeit dur<ſtudiren tonnte, und der bereitwiſllige Unterricht des gelehrten Paron, wenn Chapelain über einen Wiſſenszweig aufgeklärt zu werden wünſchte, So hatte fi der junge Mann allmählig an ſeine Stellung gewöhnt, und nur ſein mit den Jahren wachſender Appetit wurde mit den ſ<malen Biſſen, die es in Paron’s Hauſe gab, immer unzufriedener: bei allem Wiſſensdurſt der Chapelain beſeelte, mußte dies doh auf die Dauer ſeine Lage unerträglih machen, und alle ſeine Klagen beant= wortete der Geizhals mit dem theoretiſchen Grundſaße, daß das viele Eſſen nur Angewöhnung ſei. So faſtete und ſtudirte der junge Chapelain im Hauſe des Geizhalſes Tag für Tag geduldig weiter bis ein höſt drolliges Vorkontmniß feine Entfernung veranlaßte.

Im Jahre 1611 kamen ſür Paris ſehr theure Zeiten, und infolge deſſen wurden die an und für fih ſchon ſehr mageren Mahlzeiten im Hauſe Paron's no< karger be= meſſen, ſo daß Chapelain an permanentem Hunger litt, und die philoſophiſchen Gründe des geizigen Alten niht mehr genügten, den fnurrenden Magen des jungen Man-= nes zu beſ<hwi<tigen. Da erſchien der Namenstag Paron's, und um denſelben würdig zu feiern, hatte es dex Geizhals übex ſich gebracht, ein Huhn und eine halbe Flaſche Wein für ſein Mittagsmahl zu kaufen. Als Mann der weiſen Vorſicht klebte ex eine große Etikette auf die lebteve mit dex drohenden Aufſſchrift „Gift“, um alle Annäherungsverſuche ſeines Dieners im Keime zu exſli>en.