Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.
Hiſtoriſcher Roman von L. Haidheim. IIS
und riß ſi mit prahleriſchem Eifer das Wamms ab, um deſto tapferer zufaſſen zu können.
Ein alter Mann war gerade an der Reihe. Ein Fels blo hatte ihm die Hand arg zerquetſcht, und dieſelbe machte ihm noh große Schmerzen, welche ihn jede Bez rührung ſcheuen ließen. Der Jtaliener aber faßte derb zu, nahm den Verband ohne jede Schonung ab und fuhr den vor Angſt und Schmerz zitternden alten Mann kurz und grob an, als ex aufſchrie.
„Hier iſ ein ausgezeichneter Wundbalſam , die Urſula gab ihn mix, und auh das Rezept dazu,“ ſagte Burkard Keller von ſeinem Plahe her, wo er ſich eben mit einer Frau beſchäftigt hatte, die er jeht warten hieß, bis er auh mit den Uebrigen fertig ſei, dann könne ſie gleich einen Trank mitnehmen, der ihr gut thun werde.
„Von der Urſula? Ah, von der habt Jhr Eure Weis-= heit? Wiſſet Jhr wohl, daß man ſie eine Hexe nennt ?“ rief Graf Antonio ſpöttiſch.
„Jh kümmere mi< nicht um das thörißte Geſ<hwähß der Leute, Graf, der Balſam iſt vortrefflich, und die Be= ſtandtheile find mir wohl bekannt; meine Weisheit, wie Shr es zu nennen beliebt, holte i< mir, wie Jhr wohl wißt, aus der Quelle, welche tüchtige Männer macht.“
Ein entſeblicher Schrei durchhallte die Luft. -
Todtenbleich ſtürzte ein junger Holzarbeiter von dem Signor Torbelli weg auf Burkard Keller zu und dabei ſchoß aus der Wunde an ſeinem Handgelenk ein rother Bluthſtrahl wie ein kleiner Springquell in die Höhe.
Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. XIT. 3