Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
6 Der Talisman des Weibes.
Ex eilte zum Flügel, ſlug heftig in die Taſten und begann wilde Phantaſien zu ſpielen.
Jrma hatte inzwiſchen klax exfannt, daß ſie an jenem Abend nux Gaëtannina gleich empfunden und in der Zu= rü>weiſung ihres Gatten den unzweifelhaften Beweis ſeiner Gleichgiltigkeit empfangen habe. Damit ſtimmte Vieles, ach, Alles überein. Wenn Freiberg's Gefühle Liebe waren, vie nannte ſi<h dann Meiſchi>’s unerſchütterliche Ruhe ? O Gott, und in dieſer ertödtenden Atmoſphäre ſollte ſie leben, verzichten, leiden bis an's Ende!
Das jebt häufig wiederkehrende Erſtikungsgefühl wollte ihr einen Angſtſchrei von den Lippen jagen, als ſanfte, wohlbefannte Töne ſich beſänftigend an ihr Ohr ſchmiegten :
„I< träumte von bunten Blumen, So wie ſie wohl blühen im Mai“ —
Unwiderſtehlih angezogen trat ſie an die Seite des Spie= lenden. Waren ſie Beide doch Leidensgefährten und angewieſen, einander zu tröſten und zu ermuthigen. Konnte es etivas Edleres, Zuverläſſigeres geben, als dieſes Mannes Sympathie ?
Der Graf ſchaute auf und wollte ſich unterbrechen, aber _Jrma legte abwehrend ihre Hand auf ſeine Schulter. So ſpielte er weiter. Seltſam nux, daß unter den Erinne= rungen, welche ihn bewegten , dieſe ſanfte Berührung der jungen Frau ihn warm durchrieſelte bis in die Finger= ſpiben.
Leiſe, zitternd zuerſt, als ſchäme ſie ſih des Bekenntniſſes, dann von ſ<hwärmeriſc<her Innigkeit hingeriſſen, zu=