Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
18 Der LTalisman des Weibes,
Hier öffnete ſich die Thüre zum Eßzimmer, und Margavethe trat nichts ahnend ein.
Meiſchi>, durch das ganze Geſpräch in ſeinem Zart= gefühl verlebt, erhob ſih, aber Jrma fam ihm zuvor. „Erlaube, es iſt meine Sache, Fräulein Werner mit un= ſerem verehrten Freunde bekannt zu machen: Herr Juſtizrath Dreyſing — unſer Hausmütter<hen, Margarethe Werner. So, nun kannſt Du ſie wieder unter Deine Fittige nehmen,“ ſ{loß ſie mit graziöſer Handbewegung nach ihrem Gatten.
Gretchen, auf deren Wangen noh der Widerſchein des Herdfeuers flammte, ſah in dieſem Moment ebenſo mäd= chenhaft züchtig, als hübſch aus. Fhr rundes Geſichtehen mil den großen braunen Augen, die ſtets ſanft und auf-= merkſam um ſich ſchauten, das braune, glatt geflochtene Haar, vielleicht zu {li<t am Hinterkopfe befeſtigt, die kaum mittelgroße, aber volle Geſtalt vollendeten ein Ganzes, welches zu Jrma's ewig wehſelreicher Schönheit in ſcharfem Kontraſt ſtand. Jene Götter, welche um Jrma’s Mundwinkel zu flattern und zu flammen pflegten, machten Margarethens Lippen nie zu ihrem Zummeſlplaß, noh fand das Zagen und Jauchzen jener ſtolzathmenden Bruſt jemals einen Widerhall in der beſcheidenen Seele des jungen Mädchens.
Widerwillig in8geheim legte Margarethe ihren Arm in den des Grafen, um ihm zux Tafel zu folgen, während der Amktsrichter allein hinterher ſchritt, dem geringen Einfluß groſlend, welchen das junge Mädchen bisher auf Jrma ausgeühbt.