Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

40 E Dex Talisman des Weibes.

nachdenklichem Ernſt Plaß. Kopfſchüttelnd erhob ex ſich zuleht, ſehte den Kneifer auf, wie ex in bedenklichen Fällen zu thun pflegte, und ſ<hritt etlihe Male dur das kleine Gemach.

„Es wird am beſten ſein, ih ſuche die lieben8würdige Cixce auf, bevor dieſer Odyſſeus einen zweiten Trunk aus ihrem Zauberbecher gethan. Am frühen Morgen pflegen die Fiebergrade zu ſinken. Ueber zwei Widerſprüche kann ih nicht hinwegkommen. Sehen wir alſo ſelber zu, wie ein Arzt, welcher die Diagnoſe eines Anfängers nicht ge= rade bezweifelt,“ ex lächelte eigen, „aber beargwöhnt!“ —

Jn der neunten Stunde des kommenden Tages betrat dex alte Herr Garda Menari’'s Künſtlerheim. Er hatte faum ſeine Karte abgeben laſſen, als drinnen im Salon deutli<h cin Ruf der Freude hörbar ward, gleih darauf flirte es wie von heftig zurü>geſ{hobenem Porzellan= geſchirr, ein Seſſel rollte unſanft bei Seite, und alsbald ſtand Jrmengard im Rahmen der Thür und ſtre>te dem Freund frohlo>end beide Hände entgegen.

Dem Juſtizrath wurde wider Willen warm um's Herz. Aber ſie ließ ihm weder Zeit zum Nachdenken, noh zun Sprechen. Da war von Berechnung oder Koketterie keine Rede, Kinderfreude jubelte aus den leuchtenden Augen. Sie zog ihn vollends in das Gemach und dem Jmpulſe des Gefühls nachgebend, wie oft zuvor, umſchlang ſie halb in Thränen, halb im Scherz feinen Na>en und küßte ihn zärtlich auf die Wange. D

„Mein lieber, altex, mein guter Dreyſing! Sie hier? Bei mir? Wiſſen Sie, daß mir heute Nacht von Jhnen