Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
96 Der Talisman des Weibes.
„Jrmengard !“
Tante Käthe empfand bei dieſem herausfordernd be= tonten Wort einen flüchtigen Schwindel. Sie ſtüßte ſi auf Dreyſing’s Arm.
„Oder, wenn Sie wollen, Garda Menari,“ fuhr er unbeirxt fort. „Sie bekannte ihm, dieſes thörichte, leidenſchaftliche Kind, ihre reuige, heiße Liebe und vernahm ſein Bekenntniß, daß er mit einer Anderen vermählt ſei, mit ihrer Feindin. Ach, das wax Großmuth !“
Die Stiftsdame riß ſi< von ihm los. „Schmähen Sie den Mann nicht, welchem Keiner von uns in deu vorliegenden Falle nachſtreben könnte, Sie nicht, ih nicht! Oder wollen Sie ſi<h Hans Meîſchi>k gegenüber Jhrer Freundſchaft für ein treuloſes Weib rühmen? Jhm gegen= über, dex Treue und Freundſchaft dur< ſeine ſittliche Kraft hoh über jeden ſelbſtiſhen Trieb erhob, der dieſe Begriffe adelte und zu einer Macht umſtempelte, Hinter welche kein noh ſo heißes, verbotenes Sehnen drang?" Dann nach einer Pauſe, welche Dreyſing nicht unterbrach, fragte ſie zögernd: „Und ihre Liebe geſtand ſie ihm ein? Das wiſſen Sie? O, hätte er die Unglü>sſtifterin nie mehr geſehen !“
Dreyſing, welcher in Allem tolerant war, nur nicht, wenn es ſih um ein ſchroffes Urtheil über ſeinen Liebling handelte, blieb vor einem Hauſe ſtehen und ſagte erregt: „Dieſer lehte Wunſch verräth mix, daß Jhre damalige lare Einſicht in die Akten Meiſchi>k contra Jrmengard durch dazwiſchen getretene Verhältniſſe zum Nachtheil der Leb- teren getrübt worden iſ. Wenn i< Jhnen geſagt haben