Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
Roman von Georg Hartwig. 97
iwerde, was dieſe Unglücksſtifterin — nein, nicht hier auf offener Straße,“ unterbrach er ſich, „obgleich die Spaßen von den Dächern Garda Menari’s Elend pfeifen. Jch will mit meiner Schilderung den Panzer ſprengen, welchen Zeit und Einfluß um Jhr gerechtes Herz gelegt, ih will die Stimme des Mitleids hervorzwingen, will die Frau ex= wärmen für die Frau, eine Unglückliche für die andere. Hier iſt meine Wohnung — wollen Sie bei mix ein= treten? Wir Beide ſind, denke ih, über die fade Schein= heiligfeit unſerer Anſtandsregeln erhaben.“
Sie zauderte noch, aber die Mahnung des Juſtizraths war eine ſo unabweisbare, daß Tante Käthe furz ent= ſ<loſſen ſeinen Arm annahm und mit ihm den Haus= flur betrat, aus welchem er ſie ſichtli< dankbar erregt in ſein behagli<h ausgeſtattetes Junggeſellenheim hinüberz geleitete.
In ihren Seſſel zurücgelehnt, den Blik zuerſt mit fühler Zurücfhaltung, ſodann in wachſendem Erſtaunen und Theilnahme, endli<h mit regſtem Jntereſſe auf den Erzähler gerichtet, ließ Tante Käthe das vielbewegte Schick= jal ihrer einſtigen Verwandten an ſi<h vorüberziehen. Es bedurfte der Verſicherungen nicht, ihr eigenes Gefühl bürgte dafür, daß Alles, was Jrmengard in vermeintlichem Haß, in Troß und Reue gethan, gedacht und empfunden, ſeinen Ausgangspunft von einer unvertilgbaren Liebe zu Mei= [hi> genommen hatte. Sie hörte mit fröſtelndem Schre>en die Worte Jrmengard’s, welche ihre eigene Perſon in den Mittelpunkt alles Unheils ſtellten, wiederholen: „Vor Dix
Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. IV. 7