Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
104 Dex Talis8man des Weibes,
„Sh darf Fräulein Menari doh begleiten?“ warf Suſanne ein. „Sie iſt an mi< gewöhnt!“
Der FJuſtizrath wollte gutmüthig bejahend antworten, aber Tante Käthe kam ihm ſ{<nell und ſehr beſtimmt zu= vor. „Die Jungfer bleibt hier! Jh habe Dienerſchaft genug daheim für die Kranke !“
Sie nahm Jrmengard's Hand und drüd>te ſie leiſe, grüßte Dreyſing flüchtig und verließ das Gemach.
Während die Stiftsdame nah Hauſe ging, hatte ſie vollauf damit zu thun, ſi<h einen Plan ihrer zukünftigen Thätigkeit zurecht zu legen, nah welchem ſie ſyſtematiſch nachzuholen gedachte, was bisher Jeder, auh Meiſchick, an Jrmengard verſäumt.
„Was ſind wix Menſchen mit unſeren Entſchlüſſen !“ murmelte ſie kopfſhüttelnd bei fi<h. „Da glaubte ich ſchon vor dex Erziehung eines kleinen, unwiſſenden Kindes zurü>weichen zu müſſen, und ſtehe jeßt vor der Schwelle eines Unternehmens, das mich in jedem Augenbli> für die Fehler und Mängel einer fremden Undankbaren ver= _äntwortlih macht. Kindiſchem Eigenſinn gegenüber fürchtete ih die Begutachtung des Vaters, dieſer verzweifelten Frau gegenüber fordere ih die ganze Welt zu Zeugen auf. Wer konnte ſich dieſem ſ{<önen Weibe wohl anders als bewundernd nahen? Hätte Hans —“
Sie ſchwieg. Die blendende Geſtalt Jrmengard's, wie ſie liebeflehend vor Meiſchi> niedergeſunken war, wollte ſih nicht aus ihrer Vorſtellung bannen laſſen. Was kein Anderer wußte, ihr hatte es der Zufall verrathen, und mit der Bitterkeit zugleich gegen die wunderlichen Launen