Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
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“ Novelle von L. Haidheim., 115
Käſtchen mit dem Goldkreuz wieder geben. Wix wollen feine Geſchenke, was wir brauchen, kannſt Du verdienen. Adieu, Kind, ih überraſche Dich heute Mittag mit Deinem Leibgericht.“
Die verwittwete Paſtorin Mühßhlbrandt ſah ihrer Tochter nach, und in den ſ{li<ten Zügen der unter Sorge und Arbeit früh gealterten Frau malte ſich dabei die innige Liebe für dieſe Tochter, welche unermüdli<h Lag für Lag in dem größten Konfektionsgeſchäfte der Stadt Mäntel, Kleider und Jaquets anpaſſen mußte, um ſie den Käufe= rinnen im vortheilhaſteſten Lichte zu zeigen.
Das war kein ſ{<hwerexr Dienſt und ex wurde gut bezahlt; aber wel<he unerhörte Geduld gehörte dazu, den ganzen Tag und alle Tage, Wochen, Monate hindur< immer daſſelbe mit der gleichen liebenswürdigen Nuhe zu ſagen, ſich umzuwenden wie eine Puppe, rechts, links, ein wenig fort zu gehen, nun den Arm aufheben, damit man ſieht, ob das au<h mögli< iſt ohne Unbeguemlichkeit, und endlich, wenu die Käuferin befriedigt iſt, ſich einer neuen zuzu= wenden, um dieſelbe Geſchichte genau von vorn anzufangen.
Bei alledem : der Dienſt war ein guter. Herr Reinert, der Chef des Geſchäftes, war ſtets höflich, ja ſogar befon= ders höflih gegen Elſe Müßhlbrandt;, die Kundinnen hatten das beſcheidene, feine Mädchen gern , ihre ſtattliche Figur machte das einfachſte Mäntelchen elegant furz, Herr Reinert war ſich bald genug klar darüber geworden, daß er mehx verfauſte, als ſonſt, daß ihm feine Ladenhüter blieben und daß ihm auf einmal Kundinnen zuſtxömten, welche ſonſt ihren Bedarf nux von Berlin bezogen.