Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
68 Der Talisman des Weibes.
geliebte, vorwurfsvolle Auge, da war es mit aller Faſſung vorbei. Sie riß ſeine Hand in die ihren und bede>te ſie mit Küſſen und Thränen. „Vergib mir! Du weißt nicht, wie elend ih bin!“
Er verſuchte ſi< zu befreien. „Haſt Du ein Recht, Dich darüber zu beklagen, Du, die ſih von Pflicht und Gewiſſen wie von einer welken Blume trennte, die ſich nicht ſcheute, dem Gatten das Bekenntniß einer verbreche= riſchen Zuneigung dreiſt in's Geſicht zu ſ{leudern, und die mein Haus wie ein Dieb verließ, der ihm das Schönſte, das Heiligſte freventlih entwendet — Du willſt, daß ih Mitleid mit Deiner Noth empfinde ?"
Sie athmete laut unter dem herzbeklemmenden Dru verhaltener Thränen.
Ex hatte ihr ſeine Hand längſt entzogen. „Damit Du nicht ſagen kannſt, ich ſei ein Menſch ohne Herz und Gefühl, will ih Dix geſtehen, was ih no< Keinem ein= geſtand. Du haſt damals ein Etwas in mix verlebt, das nachhaltiger ſchmerzte und langſamer heilte, als die Lodeswunde, welche i<h von der Hand Freiberg's empfing: das Bewußtſein meiner verfehlten, verſchleuderten, ent ehrten Liebe! Du haſt mich da getroffen, wo es mir aut weheſten that, und wenn ih troß dieſes Bekenntniſſes und eines ſtillen Cidſchwures, Lich aus meinem Gedächtniß zu löſchen, wie es aus meinem Herzen längſt geſ{<ah, wenn ich denno<h jeht vor Dix ſtehe, ſo weißt Du, daß ih Dix, wie Du es wünſcheſt, vergeben will. Es ſei!“
Sie fühlte ihre Machlloſigkeit und glaubte vor Seelen= angſt zu vergehen. Dieſes eine kurze Wort war es niht,