Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1, str. 170

112 Erſte Ordnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Hundsaf ſen).

„Mein Gefangener war ein außerordentlich friedſertiges Geſhöpf und gab ſeine Neigung zi, mir und ſeine Anhänglichkeit an mich in jeder Weiſe zu erkennen. Wenn ih ihn früh beſuchte, begrüßte er mih mit fröhlichem, lautſchallendem „Wau! Wau! Wau!“, welches er wohl 5—10 Minuten lang wiederholte und nur unterbra<h, um Atem zu holen. Erſchöpft legte er ſih nieder, ließ ſih kämmen und bürſten und bekundete deutlih, wie angenehm ihm das war, indem ex ſich bald auf die eine, bald auf die andere Seite legte, bald dieſen, bald jenen Arm hinhielt und, wenn ih mich ſtellte, als ob ih fortgehen wollte, mi<h am Arme oder Noe feſthielt und mih wieder an ſih zog. Rief ih ihn aus einiger Entfernung, und erkannte er mih an meiner Stimme, ſo begann ex ſogleich ſein gewöhnliches Geſchrei, bisweilen in klagender Weiſe, aber ſobald er mich ſah, ſogleih in gewöhnlicher Stärke und Heiterkeit. Obwohl männlichen Geſchlechtes, zeigte er doh keine Spur von jener Geil“ heit der Paviane. Leider ging er bald zu Grunde und zwar infolge eines Schlages in die Lendengegend, welchen er unverſehens von einem meiner Diener in Kalkutta erlitten hatte. Ein junges Weibchen derſelben Art, welches ih ebenfalls pflegte, ſtarb auf dem Wege nach Kalkutta an einem Lungenleiden. Während der Krankheit litt es augenſcheinlih große Schmerzen. Ein warmes Bad ſchien ihm Erleichterung zu verſchaffen und that ihm ſo wohl, daß es, herausgenommen, ſich von ſelbſt wieder in das Waſſer legte. Sein Benehmen war ungemein ſanft, etwas ſchüchtern, Fremden gegenüber ſogar ſcheu. An mich aber hatte es ſi bereits nah einigen Tagen derartig gewöhnt, daß es ſhnell zu mir zurügelaufen kam, wenn ih es an einen freien Plaß geſeßt hatte, in meine Arme ſprang und mich umhalſte. Niemals zeigte es ſih boshaft, niemals biß es, ja ſelbſt gereizt verteidigte es ſih nicht, ſondern verkro<h ſi lieber in einen Winkel.“

Auch das vorhin erwähnte Weibchen des Wauwau war liebenswürdig in ſeinem Betragen und höchſt freundlih gegen alle, denen es ſeine Zuneigung einmal geſchenkt hatte. Es unterſchied mit rihtigem Gefühle zwiſchen Frauen und Männern. Zu erſteren kam es freiwillig herab, reihte ihnen die Hand und ließ ſi ſtreicheln; gegen leßtere bewies es fi< mißtrauiſh, wohl infolge früherer Mißhandlungen, welche es von einzelnen Männern erlitten haben mochte. Vorher beobachtete es aber jedermann prüfend, oft längere Zeit, und faßte dann auh zu Männern Vertrauen, wenn dieſe ihm deſſen würdig zu ſein ſchienen.

Man ſieht übrigens die Gibbons ſelten in der Gefangenſchaft, au< in ihrem Vaterlande. Sie können den Verluſt ihrer Freiheit niht ertragen; ſie ſehnen ſi<h immer zurü> nac ihren Wäldern, nah ihren Spielen und werden immer ſtiller und trauriger, bis ſie endlich erliegen.

Jn der zweiten Unterfamilie der Shmalnaſen vereinigen wir die Hundsaſfen (Cynopithecini). Sie fennzeihnet das ſtärkere Vortreten der Schnauze, welches ſih namentli<h bei den tiefer ſtehenden Sippen bemerklih macht, die geringere Länge der Arme, das häufige Vorhandenſein eines Shwanzes und der BVa>entaſchen und das regelmäßige Vorkommen von Geſäßſchwielen. Übrigens ſind ſie ſehr verſchieden gebaut; denn von der geſtre>ten Geſtalt der Shlankaffen bis zu der maſſigen der Hundskopfaffen oder Paviane finden \i<{ faſt alle Zwiſchenſtufen vertreten. Sie verbreiten ſich über die heißen Länder der Alten Welt, insbeſondere über Indien vom Himalaja an, Hinterindien, Kotſchinſchina, den Malayiſchen Archipel, Südarabien und ganz Afrika, mit Ausnahme der öſtlichen Teile der Sahara, gehören zu den lebendigſten und beweglichſten Mitgliedern ihrer Ordnung, ſind Élug, großenteils aber boshaft und unanſtändig, faſt überall, wo ſie auftreten, mehr oder weniger ſchädlich, indem ſie in der unverſhämteſten Weiſe Pflanzungen und Gärten plündern, werden hier und da auch ihrer bözartigen Gelüſte halber gefürchtet und haben ſich bei einzelnen