Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1, str. 174
116 Erſte Ordnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Hundsaffen).
feine A<htung, während faſt alle übrigen Fnder ihn hegen und pflegen, hüten und ver: teidigen, wo ſie nur können. Ein Europäer, welcher es wagt, das unverleßliche Tier anzugreifen, ſebt ſein Leben aufs Spiel, wenn er der einzige Weiße unter der leiht erregbaren Menge iſt. Der Affe gilt eben als heilig. Eine regierende Familie behauptet, von ihm abzuſtammen, und ihre Mitglieder führen den Titel: „geſ<wänzte Nana“, weil ſie vorgeben, daß ihr Ahnherr mit dem uns unnötig erſcheinenden Anhängſel begabt geweſen ſei. Ein portugieſiſcher Vizekönig von Jndien, Conſtantino de Braganza, erbeutete einen Affenzahn aus dem Schaßbe eines Fürſten von Ceylon und erhielt bald darauf eine beſondere Geſandtſchaft des Königs von Pegu, welche ihm 300,000 Cruzaden anbieten ließ, wenn er ihr das koſtbare Kleinod überlaſſen wolle. Solch eine hohe Summe dürfte wohl niemals für einen Zahn geboten worden ſein; um ſo mehr aber muß es verwundern, daß jenes Gebot von den Europäern niht angenommen wurde. Der Vizekönig verſammelte ſcine Räte, und die weltlichen ſuchten ihn ſelbſtverſtändlich zu überreden, dieſe bedeutende Summe anzunehmen; ein Prieſter aber war dagegen und zwar aus dem Grunde, weil er behauptete, daß man durch ſolhen Handel dem heidniſchen Zauber- und anderen Aberglauben nur Vorſchub leiſten würde, und es gelang dem Eiferer, ſeiner Einwendung Gehör zu verſchaffen. Jm Grunde könnte uns dies zwar gleichgültig ſein, wäre nicht dadurch ein Überbleibſel zerſtört worden, welches für die Geſchichte der indiſchen Götterlehre und auch für die Naturwiſſenſchaft von Wichtigkeit geweſen ſein würde. Man hätte nah dieſem einzigen Zahne recht gut beſtimmen können, welcher Affe der Träger des koſtbaren Kleinodes geweſen ſei.
Heutzutage noch iſt die Achtung gegen das heilige Tier dieſelbe wie früher. Die Znder laſſen ſi<h von dem unverſchämten Geſellen ruhig ihre Gärten plündern und ihre Häuſer ausſtehlen, ohne irgend etwas gegen ihn zu thun, und betraten jeden mit ſcheelen Augen, welcher es wagt, den Affen zu beleidigen. Tavernier erzählt, daß ein junger Holländer, welcher erſt kurz vorher aus Europa gekommen war, vom Fenſter aus einen jener Affen erlegte; darüber entſtand aber ein ſo großer Lärm unter den Eingeborenen, daß ſie faum beſhwictigt werden konnten. Sie kündigten dem Holländer ſogleich ihre Dienſte auf, weil ſie der feſten Meinung waren, daß der Fremdling und au<h wohl ſie mit ihm zu Grunde gehen müßten. Duvaucel berichtet, daß es im Anfange ihm unmögli< war, einen dieſer Affen zu töten, weil die Einwohner ihn ſtets daran verhinderten. So oft ſie den Naturforſcher mit ſeinem Gewehre ſahen, jagten ſie: immer die Afffen weg, und ein frommer Brahmine ließ es ſih niht verdrießen, einen ganzen Monat lang im Garten Des Europäers Wacht zu halten, um die lieben Tiere augenbli>li<h zu verſheuchen, wenn der Fremde Miene mate, auf ſie zu jagen. Forbes verſichert, daß in Duboy ebenſoviel Affen als Menſchen anzutreffen ſind. Die Affen bewohnen das oberſte Sto>werk der Häuſer und werden dem Fremden unerträgli<h. Wenn ein Einwohner der Stadt an ſeinem Nachbar ſi rächen will, ſtreut er Reis und anderes Getreide auf das Dach des Feindes und zwar kurz vor Anfang der Regenzeit, vor welcher jeder Hausbeſizer die Bedachung in Ordnung bringen laſſen muß. Wenn nun die Affen das ausgeſtreute Futter wahrnehmen, freſſen ſie niht nur das erreichbare, ſondern reißen auch die Ziegel ab, um zu denjenigen Körnern zu gelangen, welche in die Spalten gefallen ſind. Um dieſe Zeit iſt aber wegen übergroßer Beſchäftigung kein Dachde>er zu erhalten, und ſo kommt es, daß das Funere des Hauſes den Regengüſſen offen ſteht und dadurch verdorben wird.
Man trägt übrigens niht nur für die geſunden, ſondern auh für die franken Affen Sorge. Tavernier fand in Ahmadabad ein Krankenhaus, worin Affen, Ochſen, Kühe 2c. verpflegt wurden. Alle Söller werden zeitweilig für die Affen mit Reis, Hirſe, Datteln, Früchten und Zuerrohr beſtreut. Die Affen ſind ſo dreiſt, daß ſie niht nux die Gärten