Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Alfred Cdmund Brehm. NGT
Es ſcheint mix aber auf einem Mißverſtändnis zu beruhen, wenn man ihm dieſerhalb ein ho<fahrendes Weſen zugeſchrieben hat. Denn im Grunde war ihm eine kindlich heitere Natur und Unbefangenheit eigen. Er konnte ebenſo wie dur ſeine Vorträge eine große Zuhörerſchaft, einen kleinen Kreis dur< Erzählung ſeiner Erlebniſſe feſſeln, und dabei war ihm alle Großſprecherei ſo weit fremd, daß er ſeine Kinder zu deren größtem Leidweſen aus dem Zimmer ſchi>te, wenn er im engeren häuslichen Kreiſe von ſeinen Reiſen erzählte. Sie ſollten ihn nicht als den berühmten Reiſenden kennen lernen! Seine Gemütsart neigte in jüngeren Jahren, wie ſhon oben angedeutet, ſogar zu allerlei luſtigen und humoriſtiſchen Streichen, die er ſtets mit der hölzernſten Tro>kenheit abzumachen pflegte. „Wir ſaßen“, erzählt mir Dr. Otto Dammer, „eines ſhönen Tages während der Leipziger Meſſe beim Frühſchoppen. Da kam plößlih Brehm herein und erzählte von einer rieſig großen Schildkröôte, die er in einer Shaubude geſehen, und ex ruhete nicht, bis die ganze Geſellſchaft, er mit Roßmäßler voran, ihm folgte. Angekommen, ſtieg er über den niedrigen Zaun, kletterte auf die Schildkröte und wußte das Tier ſo zu reizen, daß es mit ihm in dem engen Naume herumkro< — unter freiem Himmel, zum großen Fubel des Publikums. Und dabei verzog er keine Miene!“ Höchſt wahrſcheinlich war dabei die Abſicht, dem Tierbudenmann eine Mehreinnahme zu verſchaffen, niht ganz ohne Einfluß geweſen.
Soll ih nun hier no weiter von dem ſchriftſtelleriſhen Wirken Brehms und von feinen gedru>ten Werken reden? Jh glaube, es iſt für die Freunde und Leſer des „Tierlebens“ gänzlih überflüſſig, und nur für die Gegner desſelben mag ein kurzes Wort hier am Plaße ſein. Brehms Schriften ſind oft hart getadelt und angegriffen worden, denn durch ſeine ſtändige Mitarbeiterſchaft an der „Gartenlaube“, durc ſeine Verteidigung des freien Standpunktes der Forſchung, durc ſeine Hinneigung zu Darwin und ſeinen unverhüllten Haß gegen die fromme Heuchelei hatte er ſi< unzählige Feinde, namentlih im klerikalen Lager, erworben. Man hat daher an ſeinen Werken viel zu mäkeln gewußt und von ſeinem „Tierleben“ (in einem Konkurrenzblatt der „Gartenlaube“) geſagt, es ſei nihts weiter als eine unwiſſenſchaftlihe Zuſammenſtellung aus dem Munde von Jägern und Fagdliebhabern und daher au< nux für ſole brauhbar. Man hat im beſonderen hervorgehoben, daß ſih aus dem Benehmen einzelner, dur< Gefangenſchaft eingeſhüchterter oder ſ<le<t erzogener Tiere feine S<hlüſſe über Gemüt8art und geiſtige Fähigkeiten ihrer Sippſchaft im allgemeinen ziehen ließen.
Der eine Vorwurf iſt aber genau ebenſo unberechtigt wie der andere. Daß Brehm keine „wiſſenſchaſtlihe Zoologie“ ſchreiben wollte, in welcher eine Berückſichtigung der unſcheinbarſten Merkmale geboten wäre, ſagen Titel und Vorwort. Wenn man ihm aber vorwarf, niht individualiſieren zu können, und daß er die aus dem Benehmen eines einzelnen Tieres gezogenen Schlüſſe geneigt geweſen ſei, auf die ganze Artgenoſſenſchaft auszudehnen, ſo that man ihm bitter unre<ht. War ein beſtimmtes Tier bisher nur in einem einzigen Stück der Beobachtung zugänglich geweſen, ſo konnte er allerdings nichts weiter thun, als die Ergebniſſe dieſer alleinſtehenden Beobachtung mitzuteilen. Fn all den Fällen aber, wo eine größere Anzahl von Gewährsmännern zu haben war, urteilte ex durhaus niht nah
vereinzelten Beobachtungen. Daß ex als Anwalt der Tiere manchmal geneigt war, ihre TIT