Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Geruch. Gehör. 17
Geruchswerkzeuge no< beſonders beweglih oder zu e<ten Schnüffelnaſen umgewandelt ſind. Jn den Naſenbären oder Koatis und in den Schweinen lernen wir ſolhe Schnüffler fennen, dürfen dabei aber niht vergeſſen, daß auc die Naſen der Hunde, Schleich- und Ginſterkaßen, Marder und anderer höchſt beweglich ſind. Daß die Fledermäuſe, welche no< beſondere Naſenanhänge beſißen, den Feuchtnaſen nicht naGſtehen, iſt leicht erklärlich: eine derartige Ausbildung des Sinneswerkzeuges, wie ſie ſih bei ihnen kundgibt, kann nur zur Schärfung des Sinnes dienen. Endlich glaube ih noh anführen zu müſſen, daß diejenigen Wohlgerüche, welche ſtumpfſinnige Naſen angenehm kißeln, für alle feinriehenden Tiere abſcheulihe Dinge ſind: jeder Hund wendet ſih mit demſelben Ekel von dem Kölniſchen Waſſer ab wie vom Schwefelwaſſerſtoffgas. Nur ſtumpfſinnige Tiere berauſchen ſih in Düften, wie die Kate in denen des Baldrians; die wahren Geruchstiere meiden alle nervenerregenden Gaſe mit Sorgfalt, ja mit Angſt, weil ſtarke Gerüche für ſie wahrſcheinlich geradezu ſhmerzlih ſind — wie vielfah auch für die auf niederer Geſittungsſtufe ſtehenden tenſchen, die ſogenannten „Wilden“.
Fraglich erſcheint, ob bei den Säugern der Sinn des Geruches von dem des Gehöres überboten wird oder niht. So viel ſteht feſt, daß der leßtere in unſerer Klaſſe eine Entwi>elung erreiht wie in keiner anderen. Der Gehörsfinn iſt zwar ſchon bei den tiefer ſtehenden Klaſſen des Tierreiches ziemli<h ausgebildet, jedo<h nirgends in dem Grade wie bei den zwei oberen Klaſſen; allein das vollkommenſte Ohr der Vögel ſteht immer tiefer als das Säugetierohr. Daß die Vögel ganz vortrefflih hören, geht ſhon aus ihren tonfünſtleriſhen Begabungen hervor: ſie erfreuen und beleben ſih gegenſeitig dur< ihren liederreihen Mund und durch ihr Gehör, welches ihnen eben das Reich der Töne erſchließt. Es iſt aber bemerkenswert, daß auch unter ihnen nur diejenigen liederbegabt ſind oder nur diejenigen ſih in Klängen und Tönen berauſchen, wel<he das am wenigſten entwi>elte Gehör beſißen, während den Feinhörigen, allen Eulen z. B., dieſelben Töne, welche andere Vögel entzü>en, ein Greuel ſind. Geradeſo iſt es bei den Säugern. Hier zeigt ſhon der äußere und no< mehr der innere Bau des Ohres die höhere Begabung des entſprechenden Sinnes an; die Begabung aber kann ſich ſo ſteigern, oder der Sinn kann ſi ſo verfeinern, daß ihm Klänge, welche ſtumpferen oder dazu erzogenen Ohren wohllautend erſcheinen, gellend oder unangenehm werden. Ein muſikaliſhes Gehör iſt deshalb noh niht fein zu nennen; es kann auf einer tieferen Stufe der Entwickelung als das eines wirkli<h feinhörenden Tieres ſtehen, und wenn man von ſeiner Ausbildung ſpricht, kann dies immer nur mit Rückſicht auf die Grenzen ſeiner beſonderen Begabung geſchehen. Beim Menſchen ſteht der Sinn des Gehöres wie der des Geruches auf einer tieferen Stufe als bei anderen Säugern; dies thut aber ſeiner Stellung unter den Lebeweſen durchaus keinen Abbruch: denn eben die gleihmäßige Ausbildung aller Sinne iſt es, welche ihn über alle Tiere erhebt.
Die Hörfähigkeit der Säuger iſt ſehr verſchieden. Taub ift kein einziger von ihnen: wirkli feinhörig aber ſind nur wenige. Das äußere Ohr gibt einen ſo ziemlih richtigen Maßſtab zur Beurteilung der geringeren oder größeren Entwickelung des Sinnes; d. h. alle Tiere, welche große, ſtehende und bewegliche Ohrmuſcheln beſißen, hören beſſer als diejenigen, deren Ohrmuſcheln hängend, klein oder gar verkümmert ſind. Mit dem äußerlich verbeſſerten Sinneswerkzeuge vermehrt ſih die Empfänglichkeit für die Töne; um es mit wenig Worten zu ſagen: großohrige Säuger haſſen, Éleinohrige lieben Töne und Klänge. Ob der Delphin entzüct dem Schiffe folgt, von deſſen Bord Muſik zu ihm herabklingt, bleibe dahingeſtellt; aber der Seehund erſcheint an der Oberfläche des Waſſers, wenn der Fiſcher leiſe und flangvoll pfeift, freilih aber auh, wenn bloß an den Bootsrand geklopft wird; das Roß wiehert vor Luſt beim Schmettern der Trompeten; das Kamel ſtelzt friſcher dahin,
Brehm, Tierleben. 3. Auflage. T. 2