Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Vielfraß: Fabeleien. Aufenthalt. Gangweiſe. Beutetiere. 637
er doc in ſeiner ſo wenig von den Menſchen beunruhigten Heimat ganz nah Belieben umher und zeigt ſi auch im Lichte der Sonne, würde dies auch unter allen Umſtänden thun müfſen, da ja bekanntlih in den nördlichſten Teilen ſeines Wohngebietes während des Sommers die Sonne monatelang Tag und Nacht am Himmel ſteht. Fn dem von Nadde bereiſten ſüdlichen Grenzgebiete des öſtlichen Sibirien iſt das Vorkommen des Vielfraßes viel mehr an das Vorhandenſein der Moſchustiere als der Renntiere geknüpft. Das Auftreten des erſtgenannten Wiederkäuers hängt nun aber weſentlich mit dem pflanzlihen Gepräge der betreffenden Gegenden zuſammen, und daher findet man da, wo in weitgedehnten bleichgelben und grauen Flechtengebieten eine Alpenflora no die äußerſte Grenze des Baumwuchſes ſ{<müdt, Moſchustier und Vielfraß am häufigſten, während man in einer dur<ſ<hnittlihen Höhe von 1000 m über dem Meere in dem Gebiete der üppigen Pflanzenwelt beide Tiere nur zufällig und vereinzelt antrifft. Dem entſprechend iſt der Vielfraß im öſtlichen Sajan entſchiedener Gebirgsbewohner, welcher, ohne feſten Wohnſiß zu haben, beſtändig umherſ{<weift und namentlich diejenigen Örtlichkeiten der Hochgebirge aufſucht, an denen den Moſchustieren Schlingen gelegt werden. Unter ähnlichen Verhältniſſen tritt ev überall im Süden von Sibirien auf, und ebenſo verhält er ſih, unter Berückſichtigung örtlicher Eigentümlichkeiten, im Norden Amerikas.
Jm Winter, welchen er nah Art der nähſtverwandten Marder, ohne längere Zeit zu ſ<läfen, durchlebt, ſeen ihn ſeine großen Taben in den Stand, mit Leichtigkeit über den Schnee zu gehen, und da er kein Koſtverähter iſt, führt er ein behagliches und gemütliches Leben, ohne jemals in große Not zu kommen. Seine Bewegungen ſind fehr eigentümlicher Art, und namentlich der Gang zeichnet ſih vor dem aller übrigen mir bekannten Tiere aus. Der Vielfraß wälzt ſi< nämlih in großen Bogenſäßen dahin, ganz merkwürdig humpelnd und Purzelbäume ſ{<lagend. Doch fördert dieſe Gangart immer noch ſo raſch, daß er kleine Säugetiere bequem dabei einholt und au< größeren bei längerer Verfolgung nahe genug auf den Leib rü>en kann. Jm Schnee zeigt ſich ſeine Fährte, dieſem Gange entſprechend, in tiefen Löchern, in welche er mit allen vier Beinen geſprungen iſt. Aber gerade ſein eigentümlicher Gang iſ dann ganz geeignet, ihn leiht zu fördern, während das von ihm verfolgte Wild mit dem tiefen Schnee ſehr zu kämpfen hat. Troß ſeiner Ungeſchi>klichkeit verſteht er es, niedere Bäume zu beſteigen. Auf deren Äſten liegt er, diht an den Stamm gedrü>t, auf der Lauer und wartet, bis ein Wild unter ihm weggeht. Unter ſeinen Sinnen ſteht der Geruh obenan; doh ſind auh ſein Geſicht und Gehör hinlänglih \{<arf.
Seine Hauptnahrung bilden die Mäuſearten des Nordens und namentlich die Lemminge, von denen er eine erſtaunlihe Menge vertilgt. Bei der großen Häufigkeit dieſer Tiere in gewiſſen Jahren, braucht er ſich kaum um ein anderes Wild zu bekümmern. Den Wölfen und Füchſen folgt er auf ihren Streifzügen nac, in der Hoffnung, etwas von ihrem Raube zu erbeuten. Jm Notfalle aber betreibt er ſelbſt die höhere Jagd. Gewiß iſt es, daß er Renntiere, ja ſelbſt Elentiere angreift und niedermacht. Thunberg erkundete, daß er ſogar Kühe umbringt, indem er ihnen die Gurgel zerreißt. Löwenhjelm erwähnt in ſeiner Reiſebeſchreibung von Nordland, daß er dort Schaden unter den Schafherden anrichte, und Erman erfuhr von den Oſtjaken, daß er dem Elentiere auf den Na>en ſpringe und es dur Biſſe töte. Hiermit ſtimmen die Mitteilungen Raddes vollſtändig überein. Fn geeigneten Gebirgen am Baikalſee wird der dort häufige Vielfraß in der Nähe der Anſiedelungen eine Plage für das junge Hornvieh. Eine im Jahre 1855 ſtattgehabte Auswanderung der Renntiere aus dem öſtlichen Sajan ſüdwärts in die Quellgebirge des Feniſſei blieb jedoch ohne Einfluß auf die Lebensweiſe des Vielfraßes; die Karagaſſen und Sojotten behaupteten ſogax, er habe hier niemals ein Renntier angegriffen, ſondern ſei aus\cließli< auf das Moſchustier angewieſen. Mein Jagdgehilfe Erik Swenſon erzählte mir, daß er in