Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3
46 Zehnte Drdnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde.
Seeſpiegel hervorragen. Mit jedem Tage verengert ſich der troŒene Raum. Aus Mangel an Weide ſ{<hwimmen die zuſammengedrängten Tiere ſtundenlang umher und nähren ſich färglih von der blühenden Grasriſpe, welche ſi<h über dem braun gefärbten, gärenden Waſſer erhebt. Viele Füllen ertrinken, viele werden von den Krokodilen erhaſcht, mit dem Schwanze zerſhmettert und verſ<hlungen. Nicht ſelten bemerkt man Pferde, welche die Spuren der Krokodile in großen Narben am Schenkel tragen. Auch unter den Fiſchen haben ſie einen gefährlichen Feind. Die Sumpfwaſſer ſind mit zahlloſen elektriſhen Aalen erfüllt. Dieſe merkwürdigen Fiſche ſind mächtig genug, mit ihren gewaltigen Schlägen die größten Tiere zu töten, wenn ſie ihre Batterien auf einmal in günſtiger Richtung entladen. Die Steppenſtraße am Uri Tucu mußte deswegen verlaſſen werden, weil ſie ſi< in einer ſolhen Menge in einem Flüßchen aufgehäuft hatten, daß jährlih viele Pferde durch ſie betäubt wurden und in der Furt ertranken.“
Einen unglei<h gefährlicheren Feind tragen die Herden in ſich ſelbſt. Zuweilen ergreift ſie ein ungeheuerer Schre>en. Hunderte und Tauſende ſtürzen wie raſend dahin, laſſen ſi< durch kein Hindernis aufhalten, rennen gegen Felſen an oder zerſchellen ſich in Abgründen. Sie erſcheinen plöglih im Lager der im Freien übernahtenden Reiſenden, ſtürzen ſih zwiſchen den Feuern hindur<, über die Zelte und Wagen weg, erfüllen die Laſttiere mit tödlihem Schre>en, reißen ſie los und nehmen ſie auf in ihren lebendigen Strom — für immer. So berihtet Murray, welcher ſolchen Überfall erlebte und überlebte. Weiter nah Norden hin vermehren die Fndianer die Zahl der Feinde, welche den Wildlingen das Leben verbittern. Sie fangen ſie ein, um ſie als Reittiere bei ihren Jagden zu benugen, und quälen ſie ſo, daß auh das mutigſte Pferd nach kurzer Zeit unterliegen muß. Wie bei den Beduinen der Sahara wird auh bei den Fndianern das Pferd oft die Urſache der blutigſten Kämpfe. Wer keine Pferde hat, ſucht ſolche zu ſtehlen. Der Roßdiebſtahl gilt bei den Rothäuten für ehrenvoll. Banden von Dieben folgen wandernden Stämmen oder Karawanen wochenlang, bis ſie Gelegenheit finden, ſämtliche Reittiere fortzutreiben. Auch der Häute und des Fleiſches wegen werden die Pferde Amerikas eifrig verfolgt. Bei Las-Nocas \<hlahtet man, wie Darwin berichtet, wöhentlih eine große Anzahl Stuten bloß der Häute wegen. Jm Kriege nehmen die Truppenabteilungen, welche in die Ferne geſandt werden, als einzige Nahrung Herden von Pferden mit. Dieſe Tiere ſind ihnen au< aus dem Grunde lieber als Rinder, weil ſie dem Heere größere Beweglichkeit geſtatten.
Daß noch heutigestags Hauspferde verwildern, erfahren wir dur< Prſhewalski. Während ſeiner Reiſen in der Mongolei ſah dieſer trefflihe Beobachter kleine Herden verwilderter Pferde, welche noh vor einem Fahrzehnte im Hausſtande gelebt hatten, von den Bewohnern der chineſiſhen Provinz Kanſu während der Dunganenunruhen ihrem Geſchike überlaſſen und binnen dieſer kurzen Friſt dermaßen ſcheu geworden waren, daß ſie vor dem Menſchen wie e<te Wildpferde entflohen.
Aus ſolchen Beiſpielen erhellt, wie gewagt es iſt, derartige Wildlinge als die Stammeltern unſerers Haustieres anzuſprehen. Gleichwohl hat man neuerdings in dem von Prſhewalski entde>ten Wildpferde der Dſungariſchen Salzſteppe (Equus przevalskii) einen der Stammväter unſeres Pferdes zu finden geglaubt; allein zwei der gründlichſten Kenner der Pferde, Piètrement und Sanſon, beſtreiten entſchieden eine nähere Verwandtſchaft dieſes noh ſehr ungenügend bekannten Tieres mit dem e<hten Pferde, welches die Untergattung Equus bildet und ſi von der zweiten Untergattung, den Eſeln (Asinus), dur den von der Wurzel an behaarten Schwanz und dur den Beſiß von Kaſtanien auh an den Hinterfüßen unterſcheidet. Unter Kaſtanien verſteht man na>te, hornige Stellen an der Jnnenſeite der Hand- und Fußwurzel.