Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Herdenleben in Amerika, 45

auf 50 und no< weniger Schritte gewittert hätte. Sie machen daher in den bewohnten Gegenden von Paraguay die häufigſte Beute dieſes Raubtieres aus. Wenn in tro>enen Fahren die Quellen, aus denen zu trinken ſie gewohnt ſind, verſiegen, kommen ſie eher vor Durſt um, als daß ſie andere aufſuchten, während das Hornvieh dem Waſſer oft bis 10 Stunden weit nahgeht. Der Geſhmat> iſt bei ihnen verſchieden; einige gewöhnen ſich leicht an Stallfutter und lernen allerlei Früchte und ſelbſt getro>netes Fleiſch freſſen, andere verhungern lieber, ehe ſie außer dem gemeinen Graſe andere Nahrung berühren. Das Gefühl iſt durch ihr Leben unter freiem Himmel, durch die Qual, welhe Mü>ken und Bremſen ihnen zufügen, von Jugend auf ſehr abgeſtumpft.

„Das paraguayſche Pferd iſt gewöhnlich gutartig; es wird aber oft dur gewaltſame Behandlung bei der Bändigung verdorben. Bewunderungswürdig iſt ſein Gedächtnis. Einzelne, welche nur einmal den Weg von Villa Real nach den Miſſionen gemacht hatten, liefen na< Monaten auf dem mehr als 50 Meilen langen Wege nah Villa Real zurü>. Fm ganzen ſind die Pferde wenigen Krankheiten unterworfen. Wenn ſie gute Nahrung erhal: ten und niht übermäßig angeſtrengt werden, erreichen ſie ein ebenſo hohes Alter wie die Pferde in Europa; da ihnen aber gewöhnlih weder gutes Futter, no< gute Behandlung zu teil wird, kann man ein zwölfjähriges Pferd ſchon für alt anſehen. Die Bewohner Paraguays nüßen übrigens die Pferde durchaus niht in dem Grade wie wir. Sie halten ſie hauptſähli<h der Fortpflanzung wegen und machen eigentlih bloß von den Wallachen Gebrau. Dennoch findet man nirgends mehr berittene Leute als in Paraguay. Das Pferd dient dazu, der angeborenen Trägheit ſeines Herrn zu frönen, indem dieſer hundert kleine Verrichtungen, welche er weit ſchneller zu Fuß vornehmen würde, ſeiner Bequemlichkeit wegen zu Pferde ausführt. Es iſt ein gewöhnlicher Ausruf der Paraguaner: Was wäre der Menſch ohne das Pferd!“

Das Leben der verwilderten Pferde in den weiter na< Norden hin gelegenen Llanos hat uns A. von Humboldt mit kurzen Worten meiſterhaft geſchildert. „Wenn im Sommer unter dem ſenkre<hten Strahle der niebewölkten Sonne die Grasdecfe jener unermeßlihen Ebenen gänzlich verkohlt iſt und in Staub zerfällt, klafft allmählih der Boden auf, als wäre er von mächtigen Erdſtößen zerriſſen. Jn dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durſte geängſtet, ſhweifen die Pferde und Rinder umher, erſtere mit langgeſtre>tem Halſe, hoh gegen den Wind aufſhnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luſftſtromes die Nähe einer no< nicht ganz verdampften Lache zu erraten. Bedächtiger und verſhlagener ſuchen die Maultiere auf andere Art ihren Durſt zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, verſchließt unter ſeiner ſtachligen Hülle ein waſſerreihes Mark. Mit den Vorderfüßen ſ{<lägt das Maultier dieſe Stacheln ſeitwärts, um den kühlen Diſtelſaft zu trinken. Aber das Schöpfen aus dieſer lebenden, pflanzlichen Quelle iſ niht immer gefahrlos; denn oft ſieht man Tiere, welche von den Kaktusſtacheln an den Hufen gelähmt ſind. Folgt endlich auf die brennende Hiße des Tages die Kühlung der gleihlangen Nacht, ſo können die Pferde und Rinder ſelbſt dann nicht ruhen. Die blattnaſigen Fledermäuſe verfolgen ſie während des Schlafes und hängen ſih an ihren Rücken, um ihnen das Blut auszuſaugen.

„Tritt endli<h nah längerer Dürre die wohlthätige Regenzeit ein, ſo ändert ſih die Szene. Kaum iſt die Oberfläche der Erde benebt, ſo überzieht ſih die Steppe mit dem herrlichſten Grün. Pſerde und Rinder weiden im frohen Genuſſe des Lebens. Jm hoh aufſchießenden Graſe verſte>t ſich der Jaguar und erhaſcht manches Pferd, manches Füllen mit ſicherem Sprunge. Bald {wellen die Flüſſe, und dieſelben Tiere, welche einen Teil des Jahres vor Durſt verſhmachteten, müſſen nun als Amphibien leben. Die Mutterpferde ziehen ſi<h mit den Füllen auf die höheren Bänke zurü> welche lange inſelförmig über den