Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Drientaliſhes Vollblut. 49

um die Echtheit des Fohlens zu beſtätigen. Das Fohlen wird mit beſonderer Sorgfalt erzogen und von Jugend auf wie ein Glied der Familie gehalten. Daher fommt es, daß die arabiſchen Pferde zu Haustieren geworden ſind und ohne alle Furcht im Zelte des Herrn oder der Kinderſtube geduldet werden können.

Mit dem 18. Monate beginnt die Erziehung des edlen Geſchöpfes. Zuerſt verſucht ſich ein Knabe im Reiten. Ex führt das Pferd zur Tränke, zur Weide, reinigt es und ſorgt überhaupt für alle ſeine Bedürfniſſe. Beide lernen zu gleicher Zeit: der Knabe wird ein Reiter, das Fohlen wird ein Reittier. Niemals aber wird der junge Araber das ihm anvertraute Füllen übernehmen, niemals ihm Dinge zumuten, welche es niht leiſten kann. Man überwacht jede Bewegung des Tieres, behandelt es mit Liebe und Zärtlichkeit, duldet

aber niemals Widerſtreben und Böswilligkeit. Erſt wenn das Pferd ſein zweites Lebensjahr überſchritten hat, legt man ihm den Sattel auf; na< Ablauf des dritten Jahres gewöhnt man es allgemach daran, alle ſeine Kräfte zu gebrauchen. Erſt wenn es das ſiebente Fahr erreicht hat, ſieht man es als erzogen an, und deshalb ſagt das arabiſche Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, ſieben Jahre für mi<h und ſieben Fahre für meinen Feind“ Nirgends iſt man von der Macht der Erziehung ſo dur<hdrungen wie in der Wüſte. „Der Reiter bildet ſein Pferd, wie der Ehemann ſein Weib ſi bildet“, ſagen die Araber. Hierbei iſt jedoch zu bemerken, daß na< dem Urteile unbefangener Kenner die Neitkunſt der Araber auf einer ſehr niedrigen Stufe ſteht: die Leute ſind größtenteils recht ſ<hle<hte oder mindeſtens rohe Reiter und kennen als Gangarten bloß zu>elnden Schritt und regelloſen Galopp. |

Die Leiſtungen eines gut erzogenen arabiſchen Naſſepferdes ſind außerordentlih, doch iſt auh ret viel über ſie gefabelt worden. W. S. Blunt, der mehrmals den Orient eigens zu dem Zwe>e bereiſt hat, die beſten Pferde kennen zu lernen und anzukaufen, der überdies für die aräbiſhe Naſſe ſchr eingenommen iſt, fällt über dieſe Pferde und ihre Neiter ein Urteil, aus welchem das Hauptſächliche hier angeführt ſci. „Der Araber iſt ein fühner Springer, ſozuſagen der kühnſte in der Welt. Über ſeine Schnelligkeit, verglichen mit der des engliſchen Vollblutes, kann ih nict aus Erfahrung ſprehen; doch glaube ih niht, daß auf eine Stre>e von 8 engliſchen Meilen ein Araber irgend welche Ausſicht hätte, neben engliſchen Rennern, es wären denn Tiere ganz untergeordneten Ranges, aufzukommen. Über eine Stre>e von 5 Meilen möchte es anders ſein, aber ih bin überzeugt, daß auf 20 Meilen nux ſehr ausgezeichnete engliſche Pferde neben ihm beſtehen würden. Araber ſcheinen fähig zu ſein, unter ſhwerem Gewichte erſtaunliche Entfernungen zu durhmeſſen, ohne zu ermüden. Obwohl viel darüber berichtet wird, iſt doh über die wirklihe Schnelligfeit faum etwas Genaues zu erfahren, weil die Beduinen keine regelre<hten Rennen abhalten. Sie verſtehen überdies nicht, ſelbſt wenn ſie die Abſicht hätten, ihre Pferde ſo zu reiten, daß ſie den vollen Vorteil von deren Bewegungsfähigkeit erlangten. Sie müſſen thatſächlih ſehr hart bedrängt ſein, wenn ſie mehr als 1—2 engliſche Meilen weit ſtetig galoppieren ſollen. Selbſt wenn Eile not thut, pflegen ſie ihre Märſche fortwährend dur Halte und Raſten zu unterbrechen, und ein ſtetiges Reiten während des ganzen Tages iſt ihnen ein unbekanntes Ding. Dennoch durchmeſſen ſie in dieſer Weiſe, galoppierend, abſißend, wieder galoppierend, außerordentliche Entfernungen und bleiben man<hmal einen ganzen Monat unterwegs, während welcher Zeit ihre Pferde ſehr ungenügend gefüttert und oft tagelang niht getränkt werden, und zudem allen Unbilden der Witterung, der Hiße und Kälte, dem unbarmherzigen Winde, ausgeſeßt ſind. So werden denn die Pferde mehr nach ihrer Stärke und ihrer Ausdauer unter widrigen Verhältniſſen als nah ihrer S<hnelligkeit geſhäßt.“ Außerdem weiſt Blunt wiederholt darauf hin, daß die Beduinen weniger perſönliche ZU-

neigung für ihre Pferde als Stolz auf ihren Beſiß bekunden, ihren E ſehr wohl Brehm, Ti.rleben. 3. Auflage. 11,