Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

E 54 Zehnte Ordnung: Unpaarzeher; erſte Familie: Pferde.

entſtammenden Pferde ſind, wie zu erwarten, ſehr verſchiedenartig ſowohl in ihrer Körpergeſtalt als auch in ihrer Leiſtungsfähigkeit. Sie gehören zu den leichten, mittleren oder ſchweren Tieren und dienen als vortreffliche Reit- oder Wagenpferde oder als tüchtige Arbeitspferde; manche zeihnen ſi< dur< gewaltige Zugkraft aus.

Aus der dritten Abteilung, die kaltblütigen Schläge umfaſſend, ſeien hier nur die folgenden ſ{<weren Schläge angeführt: das engliſche Clydesdale- und Karrenpferd, der Percheron (Abbildung S. 55), der Ardenner, der Pinzgauer, der Jütländer und das ruſſiſhe Bitjugpferd.

Pferde der ſtattlihſten Raſſen können 1,8 m Höhe und darüber am Widerriſte erreichen; ihnen gegenüber ſtehen die Ponies, die oft nur halb ſo groß ſind. Das kleinſte Pferd das Shetland-Pony, mit voller, langzottiger Mähne und buſchigem Schweife, iſt häufig bloß 90 em, man<hmal bloß 85 em und ſelbſt 82 cm ho, mithin nicht größer als ein ſtattlicher Hund. Pferde der ſhweren, belgiſhen, nordfranzöſiſchen oder engliſchen Schläge wiegen im Durchſchnitte 750 ks, häufig auh 800 kg und in ſeltenen Fällen zwiſchen 900 und 1000 ke. Leichtere Arbeitspferde, wie hannöverſche und oldenburgiſche 2c., haben ein mittleres Gewicht von etwa 500 ke.

Je nach ihrer Eigenart iſt auch die Leiſtungsfähigkeit der Pferde außerordentlich verſchieden. Jm allgemeinen läßt ſi fagen: ein Pferd trägt bis 175 kg, alſo dur<ſ<nittli< etwa ein Viertel ſeines Eigengewichtes, aber es zieht auf feſtem Wege 2500 ke, ein \<weres Arbeitspſerd ſogar 3000—3500 kg, im Durchſchnitte alſo eine Laſt, die reihli< das Vierfache ſeines eigenen Gewichtes beträgt. Unter ſolhen Umſtänden legt es etwa 4 km in einer Stunde zurü>, unbelaſtet durhſchreitet es in derſelben Zeit etwa 5 km: leichtere große Pferde ſcreiten etwas ſchneller. Fm ruhigen Trabe legen Kutſchpferde 1 km in 5—4 Minuten, flotte Traber dagegen dieſelbe Stre>e in etwas mehr als der halben Zeit zurüd; die beſten Scnelltraber können im Geſchirre auf der Rennbahn 1 km etwa in 1,6—1,5 Minute durthmeſſen. Rennpferde, die nebſt Reiter und Sattelzeug niht viel über 400 ke wiegen, durtlaufen auf freier ebener Bahn dur<ſhnittlih 900 m, man<mal auch 1009 m und etwas darüber in einer Minute. Die Belaſtung unſerer leichten Kavalleriepferde beträgt 46 ke, wozu noch das Körpergewicht des Reiters, 60—80 ks, kommt; ein Tagemarſch ſind 22 bis 30 km, ein Gewaltmarſh 50 — 60 km. Bei Dauerfahrten können vorzügliche Pferde vor leichtem Wagen, ohne Schaden zu erleiden, täglih im Durchſchnitte höhſtens 70 — 80 km zurülegen.

Außer dem bekannten Grün- und Troenfutter nimmt das Pferd, wenn es daran gewöhnt wird, ſ<hließlih mit Béhagen auch tieriſhe Nahrung zu ſi< und befindet ſih dabei ganz wohl. © So lernt es in nordiſchen Ländern getro>nete Fiſche freſſen, und während der Belagerung von Meß (1870) wurden viele Pferde vor dem Hungertode zuleßt durch reine Fleiſhnahrung bewahrt: ſie gediehen ſogar vortrefflih bei rohem oder gekochtem Fleiſche, wovon ihnen täglih 2—8 kg verabfolgt wurden. Die Beduinen geben ihren Pferden Gerſte und Kamelmil<h, mit Vorliebe aber auh Heuſchre>en, die ſie, wie von Vincenti angibt, geradezu als Manna für ihre Tiere betrachten. |

Heutzutage iſt das zahme Pferd faſt über den ganzen Erdball verbreitet. Es fehlt nur in den kälteſten Landſtrichen und auf mehreren Jnſeln, wo der Menſch ſeiner no< nit bedarf. Jn tro>enen Gegenden gedeiht es entſchieden beſſer als in feuchten, ſumpfigen, obwohl es ſchle<tere Gräſer verzehrt als andere Haustiere. Man zütet es in wilden, halbwilden und zahmen Geſtüten. Jn den wilden Geſtüten Rußlands werden die Herden das ganze Fahr hindur<h ſi ſelbſt überlaſſen. Die dort geborenen Pferde ſind ſehr dauerhaft,