Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Kulan: Geiſtiges Weſen. Jagdweiſen Nuzung. 65

Nux im Oſten Sibiriens betreibt man, laut Radde, die Jagd in anderer Weiſe. „Der Jäger zieht hier, um den ſheuen Dſchiggetai zu erlegen, am frühen Morgen, auf einem hellgelben Pferde ſigend, in das Gebirge. Über Berg und Thal reitet er langſam dur< die Einöde und ſpäht nah dem Wilde. Hat ex es entde>t, ſo ſucht er ihm ungeſehen möglichſt nahezukommen; dann erſt beginnt die eigentlihe Fagd. Dem raſchen Klepper werden die loſen Schweifhaare oben zuſammengebunden, damit ſie niht im Winde hin- und herſliegen; dann bringt man das Reittier auf eine Höhe, wo es zu graſen beginnt. Der Jäger legt ſih, etwa 100 Schritt von ihm entfernt, platt auf den Boden; ſeine in eine kurze Gabel gelegte Büchſe iſt zum Abfeuern bereit. Der Dſchiggetai bemerkt das Pferd, hält es für eine Stute ſeines Geſchle<hts und ſtürmt im Galopp auf das Tiex zu. Aber er wird ſtuzig, ſobald er in die Nähe kommt; er hält an, ex bleibt ſtehen. Jetzt iſt der Augenbli> zum Schuſſe gekommen. Der Fäger zielt am liebſten auf die Bruſt und erlegt nicht ſelten das Wild auf dem Plate; zuweilen aber bekommt der Dſchiggetai fünf Kugeln, bevor er fällt. Öfters gelingt es auch, das Tier tros ſeiner feinen Witterung zu beſ<hleihen, wenn es an ſtürmiſchen Tagen an der Mündung eines Thales graſt und langſam geht.“ Fn Tuxkmenien wird zur Jagd ſtatt des Pferdes das Kamel verwendet. „Die Saryk-Turkmenen“/, berihtet Walter, „ah ih die Virſche mit dem Kamele ausüben. Ein unbeladenes Kamel. wird in laizgſamem Schritte, der ihm ſelbſt ab und zu zu weiden geſtattet, vom Jäger allmählich an die in der Ferne erkannten Wildeſel herangetrieben, wobei der Jäger mit ſorgſamſter Beachtung des Windes ſi hinter dem Kamele birgt und, falls es gelingt, auf Büchſenſchußweite zu nahen, die Gabelbühſe unter oder vor der Bruſt des lebenden Schirmes richtet.“

Der Gewinn der Fagd iſt niht unbedeutend. Kirgiſen und Tunguſen ſchäßen das Wildbret des Kulans hoch. Erſtere würdigen es dem Pferdefleiſche gleich; lettere erachten es als ausgezeihneten Le>erbiſſen; auh die Turkmenen lieben es, laut A. Walter, ſehr. Die Haut des Kreuzes und der Schenkel wird an die Bucharen verkauft, um zu Saffian Verarbeitung zu finden, die übrige Haut zu Riemen und Pferdekoppeln zerſchnitten und verflochten. Jn der Haut des Schweifes mit der langen Quaſte liegt nah dem tunguſiſhen Volksglauben eine wunderbare Heilfraft verborgen: ein Stü davon auf Kohlen verbrannt, läßt kranke Tiere, welche den auſſteigenden Rauh und Dampf einatmen, ſicher geſunden.

Verſuche, den Kulan zu zähmen, ſind neuerdings in ſeinem Vatexlande ſelten und nie mit vollſtändigem Erfolge angeſtellt worden. Einzelne Kirgiſen haben, wie Ruſinoff mir mitteilt, dann und wann Kulanfohlen gefangen, von Stuten bemuttern und groß ziehen laſſen. Die Wildlinge gewöhnen ſi bald an die ihnen zugewieſenen Ammen, beſaugen ſie mit derſelben Befriedigung wie ihre Mütter, beweiſen ihnen findlichen Gehorſam und verlaſſen ſie au< im reiferen Alter niht, weiden frei unter den zahmen Herden und finden ſih mit ihnen in der Nähe der Jurte ein. Solange ſie jung und hilfsbedürſtig ſind, erweden ſie demnach die beſten Hoffnungen. Allein dieſes Betragen ndert ſich, ſobald das Tier ſeine Kraft zu fühlen beginnt. Zwei Kulane, welche uns Ruſ inoff zeigte, waren ebenſalls wenige Tage nach ihrer Geburt gefangen und durch kirgiſiſche Stuten bemuttert worden. Den erſten Sommer ihres Lebens hatten ſie mit der Herde verbracht, welcher ihre Amme angehörte, den erſten Winter mit dieſer ohne Beſchwer in einem kalten Stalle überſtanden. Nach ſehr kurzer Zeit begannen ſie Heu, Hafer und gebackenes Brot zu freſſen, folgten gern dem Zurufe des Menſchen, ließen ſi<h dur< ihnen vorgehaltene Leckerbiſſen herbeilo>en, auh ſtreicheln, liebten es aber niht, wenn man ihren Rücken berührte und ließen ſih, nahdem ſie genügend erſtarkt waren, niemals von einem Reiter beſteigen, ſondern biſſen und ſ{<lugen aus, gerieten ſhon, wenn man ihnen den Zaum auflegte, in heftigen Zorn. Sie ans Einſpannen zu gewöhnen, wax unmöglich. Mit jedem Jahre wurden ſie wilder und bösartiger, ſo daß man ſhließli< alle Verſuche, ſie zu zähmen, aufgeben zu müſſen glaubte.

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Brehm, Tierleben. 3. Auflage. III.