Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

18 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

in das Altersfleid verwandeln, wiſſen wir zur Zeit noh niht; daß einzelne in dieſer Weiſe ſih umkleiden, darf niht mehr beſtritten werden. Mauſerung findet dann ſtatt, wenn die Federn dur< längeren Gebrauh, dur Einwirkung von Licht, Staub, Näfſe 2c. mehr oder weniger unbrauchbar geworden ſind, in der Regel nach beendigtem Brutgeſchäfte, welches die Federn beſonders abnußgt, vielleicht infolge des fieberhaften Zuſtandes, in welchem ſi der brütende Vogel befindet. Dieſer Federwe<ſel beginnt an verſchiedenen Stellen des Körpers, inſofern aber immer gleihmäßig, als er ſtets die entſprechenden Federn beider Körperhälften betrifft. Bei vielen Vögeln werden bei einer Mauſer nur die kleinen Körperfedern und bei der zweiten erſt die Shwung- und Steuerfedern mit jenen erneuert; bei anderen bedarf der Erſaß der leßteren einen Zeitraum von mehreren Fahren, da immer nur zwei gleichzeitig neu gebildet werden, während bei anderen die Mauſerung dieſes Teiles des Gefieders ſo raſh ſtattfindet, daß ſie flugunfähig werden. Solange der Vogel geſund iſt, verleiht ihm jede neue Mauſer neue Schönheit, und dieſe nimmt mit dem Alter zu, niht ab wie bei anderen Tieren. Wird die Mauſer unterbrochen, ſo erkrankt der Vogel; denn der Neuerſaß ſeiner Federn iſt ihm für ſein Leben unbedingt notwendig.

Das verhältni8mäßige Alter, welches ein Vogel erreichen kann, ſteht mit der Größe, vielleiht auh mit der Jugendzeit, einigermaßen im Einklange. Jm allgemeinen läßt fi behaupten, daß der Vogel ein ſehr hohes Alter erreicht. Kanarienvögel leben bei guter Pflege ungefähr ebenſo lange wie Haushunde, 12, 15, 18 Jahre, im Freien, wenn niht ein gewaltſamer Tod ihr Ende herbeiführt, wohl noh viel länger; Adler haben über 100 Jahre in der Gefangenſchaft ausgehalten, Papageien mehrere Menſchenalter erlebt. Krankheiten und Unglücksfälle werden die Vögel wie die Säugetiere treffen; die meiſten wohl enden zwiſchen den Zähnen und Klauen eines Naubtieres, viele der wehrhaften vielleicht an allgemeiner Entkräftung und Shwäche. Man hat auh Seuchen beobachtet, welche viele Vögel einer Art raſh nacheinander hinrafften, und ebenſo weiß man von Haus- und Stubenvögeln, daß es gewiſſe Krankheiten unter ihnen gibt, welche in der Regel mit dem Tode endigen. Fm Freien findet man ſelten eine Vogelleiche, im allérſeltenſten Falle die eines größeren Mitgliedes der Klaſſe, vorausgeſeßt, daß der Tod ein ſogenannter natürlicher wax. Von vielen wiſſen wir nicht, wo und wie ſie ſterben. Das Meer wirft zuweilen die Leichen ſeiner Kinder an den Strand; unter den Sthlafpläßen anderer ſieht man auh wohl einen toten Vogel liegen: die Leichen der übrigen verſchwinden, als ob ſie die Natur ſelbſt begrabe.

„Kein anderes Geſchöpf“, ſo habe ih anderswo geſagt, „verſteht ſo viel zu leben, wie der Vogel lebt; kein anderes Geſchöpf weiß ſo ausgezeichnet hauszuhalten mit der Zeit wie er. Jhm iſt der längſte Tag kaum lang, die kürzeſte Nacht kaum kurz genug; ſeine beſtändige Negſamkeit geſtattet ihm nicht, die Hälfte ſeines Lebens zu verträumen und zu verſchlafen; er will wah, munter, fröhlich die Zeit durchmeſſen, welche ihm gegönnt iſt.“

Alle Vögel erwachen früh aus dem kurzen Schlafe der Nacht. Die meiſten ſind rege, noh ehe das Morgenrot den Himmel ſäumt. Jn den Ländern jenſeits des Polarkreiſes machen ſie während des Hochſonnenſtandes zwiſchen den Stunden des Tages und denen der Nacht kaum einen Unterſchied. Jh habe den Ku>u> noch in dex zwölften Abendſtunde und in der erſten Morgenſtunde wieder rufen hören und während des ganzen dazwiſchen liegenden Tages in Thätigkeit geſehen. Wer bei uns im Hochſommer früh in den Wald geht, vernimmt ſhon mit dem erſten Grauen der Dämmerung und ebenſo no< na< Sonnenuntergang die Stimmen der Vögel. Eine kurze Zeit in der Nacht, einige Minuten dann und wann am Tage ſcheinen ihnen zum Shlafen zu genügen. Unſere Hühner ſegen ſih zwar ſchon vor Sonnenuntergang zur Nachtruhe auf, ſchlafen jedoh noh niht und beweiſen dur