Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

574 Erſte Ordnung: Baumvögel; ahtundzwanzigſte Familie: Spechte.

fommen ſie ſelten, und wenn ſie es thun, hüpfen ſie mit ungeſchi>ten Sprüngen umher. Sie fliegen ungern weit; doh geſchieht dies wahrſcheinlih weniger deshalb, weil ſie der Flug anſtrengt, als vielmehr infolge der ihnen überhaupt eignen Ruhe: und Raſtloſigkeit, die ſie veranlaßt, womöglih jeden Baum auf ihrem Wege zu unterſuhen. Der Specht fliegt in ſehr tiefen Wellenlinien dahin. Er erklettert gewiſſermaßen den aufſteigenden Bogen einer dieſer Linien mit raſchen, ſ{<hwirrenden Flügelſ<lägen, legt dann plößlich die Flügel hart an den Leib und ſchießt nun in ſteilen Bogen wieder tief nah unten herab, worauf er das Aufſteigen von neuem beginnt. Jn der Nähe eines Vaumes angelangt, pflegt er ſich tief herabzuſenken und wenige Meter über dem Boden an den Stamm anzuhängen ; nun? mehr aber klettert er mit großen, raſh aufeinander folgenden Sprüngen aufwärts, man<hmal au ſeitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, bisweilen wohl ein wenig rü>lings, niemals aber fopfabwärts nah unten. Wagerecht abſtehende Äſte verfolgt er ſelten, wenn er es aber thut, dann läuft er niht auf ihnen hin, ſondern klettert faſt ſtets hängend an der Unterſeite entlang. Beim Anhängen beugt er Bruſt, Hals und Kopf weit nah hinten; beim Sprunge ni>t er mit dem Haupte.

tit dem Schnabel hämmernd oder meißelnd, arbeitet er je nah Verhältnis ſeiner Stärke größere oder geringere Stü>e der Borke los, de>t dadurch die Schlupfwinkel der Kerbtiere auf, zieht ſie mit der Zunge hervor und verſchlu>t ſie. Fn welcher Weiſe dies geſchieht, iſt mir trot ſorgfältiger, oft wiederholter Beobachtungen an zahmen Spechten no< niht vollſtändig klar geworden. Wenn man gefangene Spechte in einem Bauer mit feſter Dede hält, dieſe an verſchiedenen Stellen durchbohrt und dann beliebte Nahrung auf die De>e wirſt, kann man das Spiel der Zunge in nächſter Nähe auf das genaueſte beobachten. Allein ſo ſehr man ſi< auh bemüht, über ihre Arbeit ſih flar zu werden, ſo wenig gelangt man zur unbedingt ſicheren Erkenntnis, bleibt vielmehr immer noch zweifelhaft. Es läßt ſi von vornherein annehmen, daß die Widerhaken an der harten Hornſpibe der Zunge ihre Dienſte leiſten und manche Made aus verſchlungenen Gängen hervorziehen mögen; man bemerkt jedo<h auh, daß Nahrungsbro>en, beiſpielsweiſe Ameiſenpuppen, dem Schlunde zugeführt werden, ohne daß die Zungenſpigze dabei in Thätigkeit kommt. Die wurmſörmige Zunge wird dur<h das Loch des Kiſtenkäfigs geſte>t, biegt ſi< um und bewegt ſi< nun mit unvergleichliher Geſchmeidigkeit taſtend nah allen Richtungen, bis ſie eine Ameiſenpuppe oder einen Mehlwurm ausgekundet hat. Jn vielen Fällen wird die Beute nun allerdings mit der Zungenſpize aufgenommen, alſo wohl dur<ſpießt, in anderen aber bemerkt man nah dem erſten Erſcheinen der Zunge einige ſ<längelnde Bewegungen, und Ameiſenpuppe oder Mehlwurm verſchwinden mit dem zurü>gleitenden Organe o raſh, daß man niht im ſtande iſt, zu ſehen, ob ſie angeleimt oder dur Umſchlingung feſtgehalten wurde. Dank dieſer außerordentlichen Beweglichkeit und Schmiegſamkeit der Zunge iſt der Specht im ſtande, auch kreuz und quer verlaufenden Gängen eines holzzerſtörenden Kerbtieres zu folgen und es an das Tageslicht oder in ſeinen Magen zu befördern. Gerade hierdurch erweiſt er ſi als ein Waldhüter erſten Ranges. ‘

Verſchiedenartige Kerbtiere in allen Zuſtänden des Lebens, vor allen ſolche, welche verborgen in den Bäumen entweder in oder unter der Borke oder im Stammholze ſelbſt leben, bilden die bevorzugte Nahrung weitaus der meiſten Spechte; einige von ihnen freſſen jedo< nebenbei au< verſchiedene Beeren und Sämereien, legen ih ſelbſt Vorratskammern an, die ſie mit leßteren füllen. Unſer großer Buntſpecht, der auch ein Liebhaber von Kiefernſamen iſt, hat die Gewohnheit, die Zapfen an beſtimmten Stellen, wo er es in reht bequemer Weiſe thun kann, auszuklauben. Solche durh man<mal maſſenhaft am Boden liegende Zapfen gekennzeihnete Stellen werden „Spechtſhmieden“ genannt. Der Vogel ſucht ſi< einen Baum aus, der ein der Größe der Kiefernzapfen entſprechendes Loh oder