Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Spechte: Allgemeines. 575

cinen brauhbaren Spalt oder eine becherförmige Vertiefung aufweiſt, zimmert ſich wohl auch eine erſt eigens zure<ht. Fn dieſer Vertiefung klemmt er die herbeigeholten reifen Zapfen mit dem Stielende feſt und ſpaltet nun mit dem Schnabel die Shuppen auf, um die Samen zu erlangen. Den gewöhnlich nur teilweiſe entleerten Zapfen zwängt er dann wieder heraus, läßt ihn zur Erde fallen und holt ſi< einen neuen. Unter einer vielbenußten „Spechtſchmiede“ bilden die Zapfen einen re<t anſehnlichen Haufen und können korbweiſe zuſammengerafft werden. Mehreren amerikaniſchen Spechtarten ſagt man nah, daß ſie unter Umſtänden ein Vogelneſt plündern und Eier und Junge verzehren oder ihrer Brut zutragen ſollen, und, wie ih erzählen werde, hat man auch unſere einheimiſchen Arten bezihtigt, dasſelbe zu thun; dieſe Angaben ſcheinen mir jedo< in keiner Weiſe verbürgt, genaue Beobachtungen in dieſer Hinſicht mindeſtens dringend erforderlich zu ſein.

Das Weſen der Spechte erſcheint ernſt und gemeſſen, iſt aber in Wirklichkeit eher ein heiteres und fröhliches zu nennen. Dies bekunden alle Arten, die man in Gefangenſchaft hält und ſo weit gezähmt hat, daß ſie ihrem Pfleger vollklommenes Vertrauen ſchenken. Wer ſie kennen gelernt hat, wird ſie als kluge Tiere bezeihnen müſſen, wer ſie längere Zeit in Gefangenſchaft, im Zimmer oder. im Käfige, hielt, ihnen auch eine gewiſſe Drolligteit zuſprechen dürfen. „Feinere Sitten“, meint Liebe, „darf man von ihnen freilih nicht erwarten. Jhre Gewohnheiten ſind die der Waldbewohner, der Köhler, Holzhauer und ähnlicher Leute, die niht ſalonfähig erklärt werden können; aber das ganze Weſen und Gebaren ſpricht wenigſtens den vorurteilsfreien Pfleger aufs höchſte an.“ Dasſelbe gilt aber auch für die frei lebenden Spechte. Wer möchte ſie miſſen, wer unſeren Wald ohne ſie wünſchen wollen? Schon ihre Stimme erfreut den Beobachter, und namentlich das laute, lachende Geſchrei, das auf weithin dur< Wald und Flur erſchallt, beſit ſo unverkennbar das Gepräge der Heiterkeit, daß man die Spechte unbedingt den am liebſten geſehenen Vögeln beizählen muß.

Abgeſehen von ihrer Stimme bringen ſie jedo< noch eine eigentümliche Muſik im Walde hervor: ſie „trommeln, rollen, ſ<hnurren, dröhnen oder knarren“, wie man zu ſagen pflegt, indem ſie ſi<h an einen dürren Aſt hängen und dieſen durch ſchr ſhnelle Schläge mit dem Schnabel in zitternde Bewegung bringen. Hierdur< bewirken ſie ein laut ſchallendes Geräuſch, das nah der Stärke des Zweiges bald höher, bald tiefer klingt und unter Umſtänden auf 1—1,5 km weit im Walde gehört werden kann. Wie der Specht trommelt, rollt oder ſ{<nuxrrt, ſchildert Altum: „Der Specht ſizt zu dieſem Muſizieren an einem Splitter oder Za>ken unbewegli<h und oft lange, plößlih hämmert ex äußerſt {nell auf ſein Fnſtrument, das zitternd gegen die Schnabelſpiße zurü>kſchlägt und ſo einen je nah der Größe des Spechtes und nah der Stärke und Reſonanz ſeiner Trommel verſchiedenen Wirbellaut, etwa wie „errrrr“ oder „arrrrr! oder „orrrrr hervorbringt. Zuweilen fliegt er plößlih von einem Trommelza>en an einen benachbarten, anders geſtimmten und wechſelt ſo mit den beiden Pauken na<h Gutdünken ab. Meiſt erfolgen dieſe Wirbel in größeren Pauſen.“ Wieſe vermutet, daß die Veranlaſſung zu dieſer eigentümlichen Muſik im Zuſammenhange mit der Witterung ſtehe, weil er überhaupt die Spechte für die beſten Wetterpropheten hält, meint auch, daß es bisweilen geſchehen könne, um die Kerbtiere aus dem ſtark bewegten Aſte herauszutreiben, irrt ſi<h aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geſchieht, um das Weibchen zu erfreuen. Meines Wiſſens iſt es noh nicht feſtgeſtellt worden, ob das Weibchen ſeine Gefühle in gleicher Weiſe äußert wie das Männchen; ſo viel aber iſt ſicher, daß leßteres durh ſein Trommeln zu Kampf und Streit herausfordert, daß andere auf dieſes Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler auszufehten, und daß man dur< Nachahmung dieſes Trommeln3 viele Spechte leicht zu ſi< heranlo>en kann.