Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

576 Erſte Ordnung: Baumvögel; a<htundzwanzigſte Familie: Spechte.

Der Specht bekundet alſo gewiſſermaßen auch ſeine Gefühle dur den Gebrauch des ihm wichtigſten Werkzeuges. „Wenn auch die männlichen Spechte“, ſagt W. Marſhall, „feine großen Sänger ſind, ſo leiſten viele von ihnen um ſo mehr als Fnſtrumentalkünſtler. Da ein guter Teil ihres Daſeins von der Wiege an ſi<h um das Holz dreht, ſo iſt es niht mehr als re<t und billig, daß das Xylophon ihr Leibinſtrument iſt, das ſie im Frühjahre, bei {öner Witterung bisweilen auh wieder im Herbſte, mit Ausdauer und Erfolg zu ſpielen wiſſen. Dieſe Leiſtungen haben beim Volke von jeher Anerkennung gefunden, aber freili<h niht das richtige Verſtändnis, denn {hon in Gesners Tagen faßte man dieſe Muſik niht als das auf, was ſie iſt, als ein Liebesſtändchen, ſondern als eine Prophezeiung bevorſtehenden Regens. — Es muß dieſe ſeltſame Sitte uralt in der Sippe der Spechte ſein: ſie thun es vom Polarkreiſe bis zum ſüdlihen Südamerika und bis Ceylon, aber niht bloß immer in der Art, daß ſie einen dürren Zweig in Erſchütterung bringen und dann ihre Schnabelſpize daran halten, ſie haben auh noc eine andere Weiſe. Manche, z. B. unſer Grün- oder Grauſpeht, hämmern auch raſh auf lo>ere Bretthen und Rindenſtüde, ohne den Shnabel an das in Schwingung geratene Jnſtrument zu halten, und Liebes zahme Buntſpechte trommelten, bloß um ihr Wohlbehagen auszudrücen, eifrig auf dem Blechboden ihres Käfigs. Als Paine in den nordamerikaniſhen Wäldern zu den Siedern des Ahornzu>kers kam, beobachtete er, wie gewiſſe Spechte nicht bloß eifrig an hohlen Bäumen herumtrommelten, ſondern wie ſie auh auf die zum Tro>nen und Auslüften aufgehängten Holzgefäße der Zu>erſieder, die ſie als ſehr geeignet für ihre Trommelzwe>e fanden, flogen, und wie ſie es ſelbſt mit Zinngefäßen verſuchten, die gewiß einen ſhönen Ton gegeben hätten, aber leider glitten ſie von dieſen ab, da ſie natürlich ihre Nägel nicht in das Metall einſ<hlagen konnten. Eine ſehr merkwürdige Beobachtung, die, wenn ſie mehrfache Beſtätigung fände, ein teilweiſe neues Licht auf dieſes Rollen der Spechte werfen und es als eine Art ,Trommelſprache‘, wie ſie bei manchen weſtafrikaniſhen Völkerſchaften im Schwange iſt, erſcheinen laſſen könnte, findet ſi<h bei M'Gillivray. Der genannte Forſcher erzählt, daß ein weiblicher großer Buntſpecht, dem man die Eier genommen hatte, zu einem benachbarten dürren Aſte ſlog und zu klopfen anfing. Dieſes Klopfen wurde vom Männchen aus einem anderen Teile des Waldes beantwortet, und bald flog es herbei, worauf beide Vögel ein Klopfduett begannen.

„Jene Trommelſtändchen beginnen unſere männlichen Spechte ſhon zeitig im Fahre, manchmal, wenn die Witterung ſ{ön iſt, ſhon Anfáng Januar, denn ſie gehören bei uns unter diejenigen Vögel, welche am zeitigſten zur Brut ſchreiten.“ Das Neſt ſteht ſtets in einer von den Spechten ſelbſt gezimmerten Baumhöhlung und iſt im Grunde genommen nichts anderes als der mit einigen Spänen ausgekleidete Boden der Höhle ſelbſt. Das Gelege beſteht aus 3—8 ſehr glänzenden, rein weißen Eiern, die von beiden Geſchlehtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche Geſchöpfe, die anfangs mit ihren Eltern kaum Ähnlichkeit zeigen und ihre hauptſächlichſte Fertigkeit, das Klettern, früher ausüben, als ſie jener Geſtalt und Bekleidung erhalten, werden nah dem Ausfliegen noch einige Zeit lang von Vater und Mutter geführt, dann aber rü>ſihtslos aus deren Nähe vertrieben.

Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlih genug verſichert werden, daß uns die Spechte Nuten, niht aber Schaden bringen. Bechſtein war der erſte Naturforſcher, der der unſinnigen Vernichtungswut entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nath vieljähriger Unterſuhung und Beobachtung \{<le<terdings keine ſchädliche Eigenſchaft an unſeren Spechten habe entde>en können. Alle ſpäteren Forſcher, die das Leben der Tiere beobachteten oder wenigſtens den Beobachtern Glauben ſchenkten, haben nach ihm dasſelbe verſichert, und gleihwohl gibt es heutigestags noch einzelne, die meinen, daß ein Specht durch ſein Arbeiten an den Bäumen dieſen Schaden zufügen könnte.